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Lesermeinung: Zurück in Steinzeit

Zum Beitrag „Kopfnoten“ (PNN vom 17.Juni 05): Nach dem Vorbild der Bayern und in Anknüpfung an die DDR-Tradition werden die Schüler und Schülerinnen des Landes Brandenburg bald (wieder) mit Zensuren für ihr Lern-, Arbeits und Sozialverhalten sowie z.

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Zum Beitrag „Kopfnoten“ (PNN vom 17.Juni 05): Nach dem Vorbild der Bayern und in Anknüpfung an die DDR-Tradition werden die Schüler und Schülerinnen des Landes Brandenburg bald (wieder) mit Zensuren für ihr Lern-, Arbeits und Sozialverhalten sowie z.B. ihre Kommunikationsfähigkeit beurteilt. Außerdem will das Land mit zentralen Aufnahmetests und Festlegung eines Mindestdurchschnitts verhindern, dass ungeeignete Schüler und Schülerinnen das Gymnasium besuchen. Angesichts dieser Vorhaben möchten wir laut fragen, warum wider besseren Wissens in Brandenburg eine derartig veraltete Bildungspolitik betrieben wird. Zurück in die pädagogische Steinzeit? Die Kommunikationsfähigkeit eines Menschen mit einer Ziffer zu bewerten ist ein Widerspruch in sich, denn dabei wird den Schülern lediglich gezeigt, dass wichtige Kernkompetenzen eben nicht kommuniziert werden. Ebenso verhält es sich z.B. mit dem Sozial- oder dem Konfliktverhalten. Dieses muss nicht nur von Lehrerinnen und Lehrern vorbildlich vorgelebt werden, sondern ist es allemal wert, darüber einige zusammenhängende Sätze zu formulieren. Über die schwachen Lese- und Schreibkompetenzen unserer Schülerinnen und Schüler dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir nicht bereit sind, in einen schriftlichen und mündlichen Kommunikationsprozess mit ihnen zu treten, auch bei Beurteilungen. Warum eigentlich sollen nur so wenige in Brandenburg ein Gymnasium besuchen dürfen? In anderen Ländern ist es durchaus möglich, sich mit 10 Schulbesuchsjahren zu einer Maturaprüfung anzumelden (Schweiz) oder, nur weil man 25 Jahre alt ist, eine Hochschule zu besuchen (Neuseeland). Von den hohen Abiturientenzahlen in vielen Ländern (Finnland) wollen wir gar nicht reden. Leider kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass in unserer Region misstrauisch auf die Verteilung längst veralteter Privilegien geachtet wird. Denn anders könnte man sich die frühzeitige Auswahl und Zuweisung von Kindern nicht erklären. Der alte Irrglaube, dass Leistungsstarke und Leistungsschwache nichts voneinander lernen können, hält sich beharrlich. Schade, dass eine gute, international bewährte Tradition nicht aufgegriffen wird, in dem man den Schülerinnen und Schülern eine längere gemeinsame Schulzeit ermöglicht, ohne sie vorschnell auszusondern. So könnte man erreichen, dass Schulen über sinnvolle Förderkonzepte im eigenen Haus nachdenken müssen. Diese gemeinsame Förderung stellt man sich zukünftig allenfalls für die beiden ersten Schuljahre vor, spätestens danach sollten aber „lernbehinderte" Kinder von den anderen getrennt werden. Eine Bildungskultur, in der jeder/jede, so wie er/sie ist, angenommen wird, rückt in weite Ferne. Wir würden uns dringend wünschen, dass der ehemals lebendige Geist der Integration von Verschiedenheiten in Brandenburg nicht gänzlich verloren geht. Ulrike Kegler, Potsdam, Schulleiterin Montessori Schule

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