PORTRÄT MO YAN CHINAS NOBELPREIS-HOFFNUNG:: „Literatur mangelt es oft an Feinsinn“
Es ist eine Wunde, die jedes Jahr wieder schmerzt: Noch nie hat ein Chinese den Nobelpreis gewonnen. Zwar hat der inhaftierte Dissident Liu Xiaobo vor zwei Jahren den Friedensnobelpreis erhalten, doch das offizielle China empfand dies als solche Demütigung, dass die Beziehungen zum Vergabeland Norwegen seitdem stark belastet sind.
Stand:
Es ist eine Wunde, die jedes Jahr wieder schmerzt: Noch nie hat ein Chinese den Nobelpreis gewonnen. Zwar hat der inhaftierte Dissident Liu Xiaobo vor zwei Jahren den Friedensnobelpreis erhalten, doch das offizielle China empfand dies als solche Demütigung, dass die Beziehungen zum Vergabeland Norwegen seitdem stark belastet sind. Auch der Exil-Chinese Gao Xingjian zählt aus offizieller Sicht nicht, denn er gewann 2000 als Franzose. In der kommenden Woche nun könnte sich diese Wunde schließen.
Der 57 Jahre alte chinesische Schriftsteller Mo Yan zählt zum engeren Favoritenkreis für den Literaturnobelpreis 2012. Mo Yan ist einer der erfolgreichsten Autoren der chinesischen Gegenwartsliteratur, er gilt als Chinas William Faulkner, auch Franz Kafka soll sich in seinen Werken widerspiegeln. In Deutschland erlangte er als Autor von „Das rote Kornfeld“ größere Bekanntheit, die gleichnamige Verfilmung durch den Regisseur Zhang Yimou gewann 1988 auf der Berlinale den Goldenen Bären.
Mo Yan heißt in Wirklichkeit Guan Moye, sein Pseudonym bedeutet „der Sprachlose“ oder „Ohne Worte“, obwohl er in seinen Büchern wortgewaltig das Gegenteil beweist. Mo Yan ist 1955 als Bauernsohn in der ostchinesischen Provinz Shandong auf die Welt gekommen. Nur fünf Jahre lang konnte er eine Schule besuchen, dann musste er in einer Fabrik arbeiten. Als Zwanzigjähriger trat er in die Volksbefreiungsarmee ein, wo er mit dem Schreiben begann.
Er gilt als Schriftsteller des offiziellen China, das er 2010 auch auf der Frankfurter Buchmesse vertreten hat. Trotz gelegentlicher Schwierigkeiten gelingt es ihm, innerhalb der strengen chinesischen Zensur seine Werke zu veröffentlichen. Kritiker werfen ihm deshalb Selbstzensur vor. Gegenüber dem Magazin „Time“ sagte er: „Es gibt in jedem Land gewisse Beschränkungen.“ Diese Limitierungen seien jedoch sogar ein Vorteil: „Eines der größten Probleme in der Literatur ist der Mangel an Feinsinn. Ein Schriftsteller sollte seine Gedanken tief vergraben und sie über die Charaktere vermitteln.“
Yans Themen waren lange im historischen Kontext der vergangenen 100 Jahre in China angesiedelt, erstmals im 2010 in China erschienenen Roman „Frosch“ hat er sich eines aktuelleren Themas angenommen: der chinesischen Ein-Kind-Politik. Vielleicht bringt ihm das nun den Nobelpreis ein. Der dann auch die chinesisch-norwegischen Beziehungen stark verbessern dürfte. Benedikt Voigt
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: