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Von Peter Tiede: Märkische Grenzüberschreitung

Mit seiner Privatarbeit für die Regierung hat Brandenburgs Rechnungshofchef überzogen

Stand:

Man mag sich an vieles gewöhnen können und müssen oder einfach nur resignierend gewöhnt haben im Brandenburgischen. Aber die Wurschtigkeit, mitunter auch rüde Gleichgültigkeit und Arroganz, mit der in der Mark die Gewaltenteilung zwischen Legislative (hier: Landtag) und Exekutive (hier: Regierung) so nebenbei mal aufgehoben, übergangen oder niedergerannt wird, ist schon fast beispiellos. Da lässt sich die SPD-Landtagsfraktion in Total- umkehr aller demokratischen Regeln seit Jahren regelmäßig willenlos direkt von der Staatskanzlei des Regierungschefs diktieren, was so auf die Agenda gehört. Und fast 20 Jahre lang war zu beobachten, wie ein Landesparlament sich fast rückgratlos selbst beschränkte: Bis heute hat der Landtag, der immerhin die Etathoheit hat, sich selbst keinen ausreichenden wissenschaftlichen Dienst zugelegt, bei dem sich die Abgeordneten in allen Fachfragen schlau machen könnten. Stattdessen schlichen sie in die Ministerien, die sie eigentlich zu kontrollieren hätten. Was sie dort erfuhren war oft nur, was sie wissen sollten.

Mit dem Speer-Skandal und und der damit verbundenen, nun publik gewordenen Affäre um Landesrechnungshof-Chef Thomas Apelt ist nun aber eine neue Dimension erreicht: Der Mann, der im Auftrag des Parlaments der Regierung auf die Finger schauen soll, hat einen Auftrag der Landesregierung angenommen: Er hat die Personalakte der Ex-Geliebten des Ex-Ministers Rainer Speer für die Staatskanzlei unter die Lupe genommen. Wegen der Nachwehen der Affäre um die Ex trat Speer wohlgemerkt zurück – er soll zumindest Kenntnis davon gehabt haben, dass sie für ein Kind Unterhalt vom Staat statt von ihm kassierte.

Nachdem mehrere Zeitungen zudem dem Verdacht nachgehen wollten, die Ex-Geliebte sei bei ihrer Verbeamtung und beim Stellenwechsel durch Speer protegiert worden, bestellte die Staatskanzlei Apelt zum Prüfer. Nicht, wie nun behauptet wird, als Privatperson. Nein, Apelt wurde als Chef des Rechnungshofes angefragt. Erst, als klar wurde, dass dies rechtlich unmöglich ist, verfiel man auf den Kniff mit dem Privatmann Apelt.

Also ausgerechnet den Mann, der als Nichtprivatmann zeitgleich die anderen Affären Speers untersuchen muss: Den Verkauf der Krampnitzer Kasernen an ein undurchsichtiges, offenbar nicht lauter arbeitendes Firmengeflecht sowie den Verkauf der landeseigenen Brandenburgischen Boden Gesellschaft. Beide Deals liefen unter Speer als Finanzminister. Bei beiden treten Freunde und Bekannte Speers auf, die auch beim von Speer geführten Fußballklub SV Babelsberg 03 aktiv sind – ob im Vorstand oder zumindest zeitweise als Sponsoren.

Was Apelt geritten hat, in dieser Gemengelage als Mann der Legislative unbedingt die Seiten zur Exekutive zu wechseln, ist bisher noch sein Geheimnis. Fast scheint es egal. Denn was bleibt ist: Der Chef einer der wichtigsten Kontrollinstitutionen, die Landtag und Bürger in diesem Land gegenüber dem Regierungs- und Verwaltungsapparat haben, hat eine Grenze überschritten. Er hat sein Amt schwer beschädigt. Sich selbst erst recht.

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