Ich habe verstanden: Matthias Kalle über 18-jährige Stars
Helene Hegemann hat den Preis der Leipziger Buchmesse am Donnerstag nicht gewonnen und Lena Meyer-Landrut fährt nach Oslo, um für Deutschland beim Eurovision Song Contest zu singen. Das sind Fakten, Tatsachen, die kann man so hinschreiben, die kann man auch nachvollziehen, die kann man verstehen.
Hegemann und Meyer-Landrut sind 18 Jahre alt – Meyer-Landrut kam 1991 zu Welt, Hegemann 1992 und 1993 war ich 18 Jahre alt, so wie Daniel Kehlmann, Benjamin von Stuckrad-Barre oder Natalie Imbruglia, in die jeder halbwegs normale Junge ein paar Jahre später verliebt war. Ich, Kehlmann, Stuckrad-Barre und Imbruglia erlebten mit 18 den Aufstieg von Mariah Carey zum Superstar, Bill Clinton als neuen US-Präsidenten und die Einführung der neuen, fünfstelligen Postleitzahlen. Es gab bereits das Internet – aber nicht für uns. Helmut Kohl war Bundeskanzler. Zigaretten kosteten vier Mark. Ich bestand meine Führerscheinprüfung. Und die berühmteste 18-Jährige war Drew Barrymore, das kleine Mädchen aus E.T., damals noch kaputt vom Drogenfressen und Alkoholsaufen. Andere 18-Jährige tauchten im Bewusstsein der Massen nicht auf, sie bereiteten sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf die Jahre, die vor ihnen lagen, vor.
Die Öffentlichkeit hat in den vergangenen Wochen sehr genau darauf geschaut, was Helene Hegemann und Lena Meyer-Landrut tun. Sie haben geschaut und bewertet, was eigentlich auch in Ordnung ist, denn Hegemann und Meyer-Landrut trugen ihre Talente nach draußen, man sollte sie sehen und wahrnehmen und wer bei einer Sendung mitmacht, die „Unser Star für Oslo“ heißt, muss davon ausgehen das man, wenn man gewinnt, dieser Star ist. Und wenn man ein Buch schreibt, kann man davon ausgehen, dass es andere lesen und es manche gut und manche schlecht finden. Und wenn man klaut, muss man davon ausgehen, dass man erwischt wird.
So weit. Und dann gibt es da noch etwas, worauf die Jury des Leipziger Buchpreises am Donnerstag hinwies, etwas Selbstverständliches eigentlich, aber irgendwie war es doch richtig, dass man daran erinnert wurde: „Mit 18 macht man Fehler.“ Das ist so ein einfacher, ein so wahrer Satz, dass man sich wundert, dass den einige wohl vergessen hatten, als sie über Helene Hegemann schrieben als hätte sie die Statur und die Erfahrung von Günter Grass. Mit 18 macht man Fehler, wahrscheinlich macht man mehr Fehler als dass man Dinge richtig macht. Wer älter ist, der sollte allerdings mehr Dinge richtig als falsch machen, vor allem, wenn er über 18-Jährige richtet und urteilt.
Und dass der Ton die Musik macht, das kann zum Beispiel von Lena Meyer-Landrut lernen. Die scheint das ziemlich genau zu wissen.