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Meinung: Mehr Geld aus Steuern = mehr Geld für den Bürger?

Zur Berichterstattung über die Konjunktur in Deutschland Immer wieder liest man in den letzten Monaten, dass die Wirtschaft brummt, dass die Steuereinnahmen deutlich besser sprudeln als erwartet. Trotzdem soll sich die arbeitende Bevölkerung weiter in Lohnzurückhaltung üben - obwohl die großen Unternehmen Rekordgewinne einfahren -, um den Aufschwung und die Schaffung neuer Arbeitsplätze nicht zu gefährden.

Zur Berichterstattung über die Konjunktur

in Deutschland

Immer wieder liest man in den letzten Monaten, dass die Wirtschaft brummt, dass die Steuereinnahmen deutlich besser sprudeln als erwartet. Trotzdem soll sich die arbeitende Bevölkerung weiter in Lohnzurückhaltung üben - obwohl die großen Unternehmen Rekordgewinne einfahren -, um den Aufschwung und die Schaffung neuer Arbeitsplätze nicht zu gefährden. Fakt ist doch aber, dass die Abgabenlast der Menschen in Deutschland in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen ist (Einige Beispiele: Mehrwertsteuer, Pendlerpauschale, Sparerfreibeträge, gestiegene Sozialabgaben bei gleichzeitig höherer Eigenbeteiligung bei zum Beispiel Gesundheit und Altersvorsorge). Die Realeinkommen in Deutschland sind dadurch und durch die Inflation erheblich gesunken.

Wäre es da nicht an der Zeit, dass der Staat mit den Mehreinnahmen uns Bürger entlastet? Ob nun durch Steuersenkungen oder Senkung der Sozialabgaben ist letztlich egal. Hauptsache, die Menschen haben wieder etwas mehr Geld in der Tasche. Und die Wirtschaft hätte im Endeffekt doch auch etwas davon: Bei einer Senkung der Lohnnebenkosten würden die Arbeitgeber (auch die öffentlichen!!) direkt mit profitieren, bei einer Senkung der Steuern für die Verbraucher davon, dass die Menschen mehr Geld zur Verfügung haben, um zu konsumieren. Man würde also in jedem Fall auch der Wirtschaft zusätzliche Impulse geben. Sicher, ein Schuldenabbau ist bei der hohen Verschuldung Deutschlands unbedingt notwendig. Aber wenn wir uns mehr leisten können, steigen automatisch auch die Steuereinnahmen weiter. Also liebe Politiker, das wäre nach den Zumutungen der letzten Jahre eine Gelegenheit, den Leuten mal etwas Gutes zu tun.

Carsten Koch, Berlin-Siemensstadt

Sehr geehrter Herr Koch,

immer dann, wenn die Wirtschaft gut läuft und sich die Steuereinnahmen mehren, entstehen Begehrlichkeiten. Der Staat wird aufgefordert, Geld an die Bürger zurückzugeben. Und Politiker überschlagen sich mit Forderungen nach neuen Staatsausgaben. Das ist auch jetzt so. Allerdings geht es mit der Wirtschaft nicht immer nur bergauf, ein Abschwung steht bald wieder ins Haus. Denn die ökonomische Entwicklung verläuft in Konjunkturzyklen. Wenn es dann mit der Wirtschaft wieder bergab geht, wird verlangt, dass der Staat mehr spart.

Aber genau das wäre das Falsche. Eine vernünftige Finanzpolitik sollte sich vielmehr an dem alten deutschen Sprichwort orientieren: „Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not.“ Wenn aufgrund eines guten Wirtschaftsverlaufs die Steuereinnahmen sprudeln, dann sollte man die Gelegenheit nutzen, die seit langem aufgehäuften Staatsschulden abzubauen. Wann, wenn nicht dann? Und wenn sich die Wirtschaft nur schwach entwickelt, dann sollte nicht auch noch der Staat den Riemen enger schnallen, weil das den konjunkturellen Abschwung nur noch verstärken würde.

Wenn die Finanzpolitik jetzt den Begehrlichkeiten nachgibt, würde das die schon gut laufende Konjunktur noch mehr anheizen. Die Unternehmen würden mit Preiserhöhungen reagieren, als deren Folge die Europäische Zentralbank zur Inflationsbekämpfung die Leitzinsen erhöhen würde. Kredite für Investitionen der Unternehmen oder Konsumausgaben der privaten Haushalte würden teurer und die Konjunktur würde gebremst werden. Gewonnen wäre dadurch nichts. Vielmehr wäre die Chance verspielt worden, bei der Haushaltskonsolidierung voranzukommen.

Trotz der gegenwärtig guten Konjunktur ist Deutschland noch weit davon entfernt, seine Staatsschulden abzubauen. Denn auch in diesem Jahr wird die Bundesregierung zusätzliche Schulden aufnehmen. Presseberichten zufolge soll sie mit 15 Milliarden Euro Defizit rechnen. So wenig war es noch nie seit der deutschen Einheit. Und wenn sich die gute Konjunktur wie erwartet auch 2008 fortsetzt, wird das Ergebnis noch besser ausfallen.

Aber auch bei guter Konjunktur bauen wir so weiter Schulden auf, die unsere Kinder und Enkel zurückzahlen müssen. Es ist deshalb erforderlich, dass der Staat in einer solchen Wirtschaftslage Überschüsse statt Defizite erwirtschaftet, damit das hohe Schuldenniveau verringert werden kann. Dies umso mehr, weil die Bürger in den letzten Jahren bereits erheblich finanziell entlastet wurden. Weitere Entlastungen würden bei normaler Wirtschaftslage wieder zu neuen staatlichen Haushaltsdefiziten führen. Das gefährdet die langfristige Wirtschaftsentwicklung. Denn neue Staatsschulden drücken die private Wirtschaft. Der Finanzminister sähe sich dann gezwungen, wieder bei den Zukunftsaufgaben, den Investitionen für Infrastruktur, bei der Bildung und Forschung und den Familien zu sparen.

Wachsende finanzielle Spielräume, stellten sie sich denn tatsächlich in den nächsten Jahren auch dauerhaft ein, sollten von der Finanzpolitik deshalb nicht zu Steuersenkungen genutzt werden. Vielmehr ist erste Priorität die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, die zweite Priorität ist ein deutlicher Abbau der öffentlichen Schulden und die dritte Priorität liegt bei den öffentlichen Zukunftsausgaben.

Mit freundlichen Grüßen

— Prof. Dr. Klaus F. Zimmermann,

Präsident des Deutschen Instituts

für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin

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