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Meinung: Nach dem Pfusch ist vor dem Pfusch

Erst die Gesundheit, jetzt die Pflege: Wie die große Koalition das nächste Projekt vergeigt

Für das Jahr 2007 hat Ulla Schmidt der Koalition einen guten Vorsatz mit auf den Weg gegeben: Bei der Reform der Pflegeversicherung müssten SPD und Union beweisen, dass sie eine Sozialreform auch anständig über die Bühne bekommen können, mahnt die Ministerin. Doch leider lässt schon das Vorgeplänkel zur Pflegereform Zweifel daran aufkommen, dass die Koalition aus ihren Fehlern bei der Gesundheitsreform gelernt hat. Die Frustrierten in beiden Lagern warten nur darauf, endlich eine Sozialreform nach ihrem Willen gestalten zu können.

Die SPD besteht darauf, dass die private Pflegeversicherung einen finanziellen Beitrag zur Sanierung des Systems leistet, nach den enttäuschenden Verhandlungsergebnissen zur privaten Krankenversicherung. Bei CDU und CSU formiert sich dagegen Widerstand, auch wenn das im Koalitionsvertrag so verabredet ist. In der Union pochen die Jüngeren und der Wirtschaftsflügel darauf, dass die gesetzliche Pflegeversicherung durch mehr individuelle Vorsorge stärker privatisiert wird. Beim Stichwort „Kopfpauschale“ reagieren wiederum zahlreiche SPD-Politiker allergisch – vor allem, weil sie eine solche ungeliebte Pauschale bereits beim Gesundheitskompromiss schlucken mussten.

Es ist kein gutes Zeichen, wenn die Fronten zwischen den Koalitionspartnern verhärtet sind, bevor die Verhandlungen überhaupt begonnen haben. Erschwert werden die Gespräche zudem dadurch, dass auch bei dieser Reform der Bundesrat wieder ordentlich mitreden wird. Die Unionsländer bringen sich mit eigenen Konzepten in Stellung – allen voran die Bayern. Eine Konstellation, die einem bekannt vorkommt.

Die Spielräume, dem Koalitionspartner großzügig entgegenzukommen, sind auf beiden Seiten gering. Dazu ist die Enttäuschung über den Gesundheitskompromiss zu groß – bis in die Koalitionsspitzen hinein. Zu befürchten ist, dass am Ende eine Finanzreform herauskommt, die angesichts der Differenzen zwischen Sozialdemokraten und Union nicht für einen längeren Zeitraum trägt.

Dabei könnte die Koalition aus dem zermürbenden Streit über die Gesundheitsreform zumindest eines lernen: Wenn die Politik sich vor allem über die Finanzierung zerlegt, bleibt bei den Bürgern der Eindruck hängen, dass alles nur teurer wird, aber nicht besser.

Dabei gäbe es durchaus Fragen, über die zu streiten sich lohnen würde, weil sie den Alltag vieler Menschen berühren: Wie können Angehörige bei der Betreuung ihrer pflegebedürftigen Verwandten unterstützt werden – nicht nur finanziell, sondern auch durch Auszeiten? Wie lässt sich die Qualität deutscher Pflegeheime verbessern? Wie können Demenzkranke besser betreut werden, die derzeit zu oft durchs Raster fallen?

Wenn die Koalition dieses Mal deutlich machen kann, wofür mehr Geld ausgegeben werden muss, ist vielleicht auch zweitrangig, wie die Pflegereform finanziert wird.

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