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Meinung: Nach den Wahlen: Kein Wort von Palästina

Der Eindruck täuscht: Die neue israelische Regierung steht noch lange nicht. Zwar haben der neu gewählte und der abgewählte Ministerpräsident weitgehende Einigung über die außenpolitischen Richtlinien erzielt - indem sie alle wirklich umstrittenen Probleme ausklammerten.

Der Eindruck täuscht: Die neue israelische Regierung steht noch lange nicht. Zwar haben der neu gewählte und der abgewählte Ministerpräsident weitgehende Einigung über die außenpolitischen Richtlinien erzielt - indem sie alle wirklich umstrittenen Probleme ausklammerten. Aber es stehen noch jede Menge innenpolitische Themen an. Die bisher erzielten Übereinkünfte sind eher von deklaratorischem Wert und zeigen allenfalls die Richtung, die Scharon mit einer Großen Koalition einschlagen würde. Doch in der Praxis landen solche Vorlagen sehr schnell im Papierkorb. Zudem hat sich Scharon noch nie um Übereinkünfte gekümmert, wenn sie ihm nicht zusagten oder er fand, dass sie neuen Realitäten nicht mehr entsprechen.

"Oslo ist tot" hat Scharon schon seit Jahren erklärt und diese Überzeugung jetzt auch schriftlich festgehalten: Auf einen umfassenden Friedensvertrag soll zugunsten eines neuen Interimsabkommens mit den Palästinensern verzichtet werden. Seit den fehlgeschlagenen Verhandlungen in Camp David und den ohne Abkommen beendeten Gesprächen in Taba sei klar, dass Israel keinen Partner für einen Friedensvertrag habe, weil Jassir Arafat auf israelische Konzessionen mit immer neuen und noch weitergehenden Forderungen reagiert habe. Doch damit hat Scharon "Oslo" nicht begraben, sondern er verzögert nur das Ableben oder den erfolgreichen Abschluss.

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In der Übereinkunft zwischen dem Likud und der Arbeitspartei fehlt nicht nur jeder Hinweis auf Palästina, auch das Flüchtlingsproblem beziehungsweise das Rückkehrrecht der Palästinenser, und die künftige Grenzziehung samt Siedlungsblöcken und Gebietsaustausch werden nicht erwähnt. Begründet wird dies mit dem Hinweis, dass man jetzt längerfristige Interimsregelungen anstrebe. Daher könnten Themen, die erst im Endstatusabkommen abgehandelt werden, unerwähnt bleiben.

Für die Palästinenser heißt dies, dass der noch letztes Jahr zum Greifen nahe palästinensische Staat nach Ansicht der künftigen israelischen Regierung in weite Ferne rücken würde - erst nach mehreren Jahren erreichbar sei, bestenfalls. Jassir Arafat wird sich dies nicht gefallen lassen, sich mühelos internationale Unterstützung verschaffen und Israel damit in eine weitgehende Isolation treiben. Seine und Israels radikale Gegner haben ihrerseits bereits mit einer mörderischen Eskalation der Gewalt begonnen, an der Israel kräftig mitwirkt.

Doch es kann alles noch ganz anders, viel schlimmer, kommen. Noch-Umweltministerin Dalia Itzik, die mit Macht auf eine Große Koalition drängt, sieht weiterhin "große Abstände" zwischen Likud und Arbeitspartei. Sie befürchtet, Scharon könnte die Einigungen mit der Arbeitspartei nicht ernst meinen, sondern sie lediglich als Druckmittel für die potenziellen nationalistischen und religiösen Partner einer kleinen Rechts-Koalition einsetzen - genau wie ihm dies Barak umgekehrt mehrfach vorgemacht hat. Kommt eine solche Rechtsaußen-Regierung, dann gute Nacht Interimsabkommen, adieu Palästina.

Dann allerdings würde sich auch Scharons Wunschtraum von einer stabilen Regierung für die nächsten zweieinhalb Jahre sehr schnell auflösen. Deshalb drängt er auf eine Große Koalition und ist bereit, einen sehr hohen Preis dafür zu zahlen. Einen zu hohen, meinen nicht wenige seiner Parteifreunde, darunter Benjamin Netanjahu, der emsig hinter den Kulissen agiert, um Scharon ins Stolpern und baldmöglichst zum Sturz zu bringen. Ein ähnlicher Machtkampf, wenn auch mit viel mehr Kontrahenten, tobt in der Arbeitspartei, wo sich Barak und der überambitionierte Schimon Peres die Köpfe blutig schlagen. Im Falle eines Regierungsbeitritts ist sie von einer Spaltung bedroht.

Doch es ist nicht die breite Bevölkerung, die sich bekriegt. Es sind die Politiker, die Niederlagen nicht wegstecken, veränderte Realitäten nicht sehen, überholte Ideologien nicht über Bord werfen und ihren Machthunger nicht zügeln wollen.

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