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(L-R) Berlinale Artistic Director Carlo Chatrian, French director Nicolas Philibert and Berlinale Executive Director Mariette Rissenbeek are seen on stage during the award ceremony of the 73rd Berlinale International Film Festival in Berlin, on February 25, 2023. (Photo by John MACDOUGALL / AFP)

© AFP/JOHN MACDOUGALL

Nach der 73. Berlinale: Das Publikum hat einen besseren Bären-Wettbewerb verdient

Die Jury zeigte sich bei der Auszeichnung des Goldenen Bären wiederholt mutlos. So verpasste die Berlinale ein Top-Profil gegenüber der internationalen Konkurrenz.

Ein Kommentar von Christiane Peitz

Wie soll sie nun aussehen, die Zukunft der Berlinale? Eine konkrete Antwort fällt schwer, schon wegen der widersprüchlichen Bilanz des am Sonntag zu Ende gegangen vierten Jahrgangs der Doppelspitze mit Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian als Künstlerischem Leiter.

Die beiden können sich bei ihrer ersten „normalen“ Festivalausgabe (nach dem Start im Jubiläums- und Reformjahr 2020 und den beiden Corona-Jahren) einerseits über rappelvolle Kinos freuen – die Ticketbilanz wird diesen Dienstag veröffentlicht. Und über reichlich Starpower, auch dank einer geschickt programmierten Special-Reihe. Andererseits fällt das Medienecho auf den filmischen Ertrag und die Bären-Vergabe sehr kritisch aus.

Also alles gut, was die Zahlen betrifft, weil die drei Finanzsäulen – Bund, Eigeneinahmen, Sponsoring – stabil bleiben, trotz krisenbedingt zurückhaltender Sponsoren? Und gleichzeitig gar nichts gut, weil der Wettbewerb mau blieb und die Jury keinen besseren Film als die achtbare Dokumentation „Sur l’Adamant“ mit Gold hätte auszeichnen können?

Doch, hätte sie schon. Aber der Mangel an Mut seitens der Jury – ausgerechnet mit Kristen Stewart als Präsidentin gingen die vier Hauptpreise an bewährte, ältere, männliche Regisseure, deren Filme außer Christian Petzolds „Roter Himmel“ nicht zu den herausragenden gehören – spiegelt die fehlende Courage von Chatrian.

Zum vierten Mal versammelte er das eher klassische, allenfalls um eine künstlerische Verpackung bemühte Erzählkino in der Bären-Auswahl, mit zwei, drei Ausnahmen.

Hier wird die Contenance gewahrt, da der Rahmen gesprengt, hier das Solide, da die verwegenen Stimmen: Mit dem von ihm ins Leben gerufenen Encounters-Wettbewerb hat Chatrian der Berlinale keinen Gefallen getan. Die Halbherzigkeit seiner Reform wird immer deutlicher. Sie schwächt den Bären-Wettbewerb und macht das Forum als Sektion fürs Innovative immer obsoleter.

Das Wagemutigste aus beiden Wettbewerben, dazu die erstaunlichsten Werke aus den übrigen Reihen: So ginge eine Top-Auswahl ins Bärenrennen. Und die Berlinale hätte ein Top-Profil gegenüber der internationalen Konkurrenz.

Alle Welt wüsste dann: Hier spielt das Kino von morgen samt der Stars von morgen, hier wird das Unberechenbare Ereignis, vor einem breiten, wachen, neugierigen Publikum. Die Crux ist nur: Chatrian wird seinen geliebten Encounters-Wettbewerb gewiss nicht wieder kassieren.  

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