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Von Moritz Schuller: Neue Freiheit

Was die FDP von Joachim Gauck lernen kann: das Reden über die liberale Gesellschaft

Stand:

Die Partei in Deutschland, die die Freiheit im Namen trägt, ist in den aktuellen Umfragen auf fünf Prozent abgesackt. Gleichzeitig wird mit Jochim Gauck ein Mann gefeiert, der überall verkündet, dass ihm Freiheit wichtiger ist als Solidarität. Wie passt das zusammen?

Natürlich hat die FDP das Thema Freiheit in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Noch vor der Wahl postulierte der heutige Gesundheitsminister Philipp Rösler, dass „Solidarität ein urliberaler Wert“ sei. Er drückte sich damit um jene Aufgabe herum, die jeder Liberale in der Tat leisten muss: Er muss erklären können, wie viel Staat – und auch wie viel Solidarität – sein soll. Diesen Grundkonflikt zwischen den Interessen des Staates und denen des einzelnen Bürgers schlicht zu leugnen, ist feige. Selbst ihre zentrale Forderung nach Steuersenkungen vermochte die FDP nicht in diesen intellektuellen Zusammenhang zu stellen. Sie selbst betreibt das Projekt der Freiheit alles andere als ernsthaft.

Aber auch der Unterstützung der SPD für Joachim Gaucks Freiheitsliebe fehlt die notwendige Ernsthaftigkeit. Kein SPD-Politiker könnte es heute wagen, Solidarität und Freiheit in irgendeiner Weise gegeneinander aufzurechnen. Gerade in diesen Tagen der Krise wird Freiheit vor allem als Mangel an Regulierung und als Übermaß von Verantwortungslosigkeit verstanden. Um die Freiheit geht es der SPD bei Gauck also am wenigsten.

Der Absturz der Liberalen und der Aufstieg Gaucks passen zusammen, weil sich für Freiheit in Deutschland niemand so recht interessiert. Angela Merkel, die früher viel von Freiheit sprach, hat das längst verstanden: Selbst sie, die angesichts ihrer Biografie ähnlich wie Gauck die Freiheit zu ihrem Thema machen könnte, redet davon nur noch fernab der deutschen Wähler, im amerikanischen Kongress. Sie kennt die Freiheitsskepsis der Deutschen.

Wenn die FDP nun, angesichts ihres dramatisch gesunkenen Ansehens, eine „Neuausrichtung“ plant, sollte sie sich dennoch noch einmal mit der Freiheit beschäftigen. Wenn sie sich als „Partei der Freiheit“ positionieren sollte, wie der FDP-Politiker Jörg-Uwe Hahn meint, dann muss sie endlich erklären, was das bedeutet. Der heutige FDP-Generalsekretär Christian Lindner redete vor der Wahl davon, die „positive politische Erzählung“ des Liberalismus zu liefern. Er ist bis heute in der Bringschuld.

Die inhaltliche und auch machtpolitische Verengung, unter der die FDP leidet, ist das Ergebnis eines Unvermögens, den ideologischen Schatz, auf dem die Partei sitzt, zu heben. Anderswo haben Liberale zum Beispiel durchaus überzeugend argumentiert, warum eine Erbschaftssteuer – die den Einfluss von Geld-Eliten reduziert – liberal sein kann.

Dass die FDP nun gegen Joachim Gauck stimmen wird, fördert nicht gerade ihre Glaubwürdigkeit. Aber Westerwelle & Co könnten sich wenigstens mal ein paar Reden von Gauck durchlesen: Der kann nämlich durchaus erklären, warum Freiheit heute wichtig ist.

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