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© ddp

Porträt einer Neu-Protestantin: Nina Hagen: „Ich bin so dankbar und so glücklich“

Ganz ohne Ufo-Empfangsantenne: Bernd Matthies über Nina Hagen und ihre Taufe.

Die Website Nina Hagens sieht nach wie vor aus, als würde sie unter Einfluss seltener Pilze und unbekannter Kräuter gestaltet. Doch drunter ertönt ein unverfremdeter Bach-Choral, und das zentrale Foto der Sängerin bei ihrer Taufe am Sonntag zeigt sie geradezu bürgerlich devot, ohne Hauch von Skandal, ohne hoch aufragende Ufo-Empfangsantenne. Sogar ein klassischer Taufspruch gehört zur Inszenierung, Johannes, 7,38: „Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ Und der Ort der Handlung, das niedersächsische Schüttorf, könnte nicht weiter entfernt liegen von den Berliner Szenegewittern, die der schrillen Sängerin sonst die Energie liefern. „Ich bin so dankbar und so glücklich!“, schreibt die Neu-Protestantin.

Kompletter Kurswandel – oder nur ein neuer Flicken auf dem Tepich des Patchwork-Glaubens? Nina Hagen, die in Biografien immer etwas hilflos als „Ikone der Punkbewegung“ bezeichnet wird, aber wohl allenfalls eine Epigonin war, hat es zuletzt mit dem Hinduismus versucht, ohne den Eindruck allzu verbissener Glaubenssuche zu vermitteln. Parallel legte sie ihre Zukunft in die Hände Außerirdischer, offenbar, ohne von ihnen je eine vernünftige Antwort zu bekommen. Da mag die Hinwendung zum sachlichen, bilderfernen und jedem religiösen Starkult abholden Protestantismus wie eine überfällige Landung auf dem Boden der Realität wirken.

Ist es Zufall, dass die gelernte DDR-Bürgerin Hagen dort einen fast ebenso stimmstarken Politiker westlicher Prägung trifft? Jörg Schönbohm, der Ehrenvorsitzende der Brandenburger CDU, fordert die Wiederbelebung des Christentums in Ostdeutschland; seine am Montag in einem dpa-Gespräch bekräftigte Auffassung, 40 Jahre Indoktrination in der DDR hätten Verwahrlosung und Entbürgerlichung gefördert, hat eine Welle überwiegend negativer Reaktionen ausgelöst. Schönbohm und Hagen – es wäre mal wieder Zeit für eine skandalumwitterte Talkshow.

Dass die Sängerin indessen nun auch der CDU beitritt, ist nicht zu erwarten. Denn sie hat sich längst entschieden, im Wahlkampf die Grünen zu unterstützen, sie droht mit Anfertigung neuer Lieder und ficht gegen Atomwaffen und Genmais mit ebensolcher Inbrunst wie für das Andenken Michael Jacksons. Der könnte, wer weiß, durchaus ihr nächster religiöser Führer sein. Jedenfalls eher als Jörg Schönbohm.

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