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PORTRÄT EBERHARD VON GEMMINGEN VATIKAN-JOURNALIST:: „Papst Benedikt ist wirklich zu bedauern“

Guter Journalismus“, sagte Pater von Gemmingen kürzlich, könne „nur gelingen, wenn sich Kritik mit Wohlwollen verbindet“. Mit dieser Melange ist der Leiter der deutschen Redaktion von Radio Vatikan zu einer Art zweitem Vatikan-Sprecher geworden, zumindest für deutsche Medien.

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Guter Journalismus“, sagte Pater von Gemmingen kürzlich, könne „nur gelingen, wenn sich Kritik mit Wohlwollen verbindet“. Mit dieser Melange ist der Leiter der deutschen Redaktion von Radio Vatikan zu einer Art zweitem Vatikan-Sprecher geworden, zumindest für deutsche Medien. Ob Konklave oder Enzykliken Roms: Eberhard von Gemmingen kommentiert, vor allem aber interpretiert Absichten und Hintergründe im Korrespondentengespräch – sendefähig und auch für die verständlich, die Radio Vatikan eher nicht einschalten.

In der Krise um die Piusbruderschaft scheint dem 72-jährigen Jesuiten das Wohlwollen nun ein wenig abhanden gekommen zu sein. Ein Kabinett, mindestens regelmäßige Dienstbesprechungen müsse man von der päpstlichen Regierung erwarten. Und sogar Spott erlaubt er sich: Benedikt XVI. sei „wirklich zu bedauern“, wenn sein zuständiger Mitarbeiter mit ihm nie über den Holocaustleugner Williamson gesprochen habe. „Man staunt.“

Geprägt ist der Schwarzwälder Gemmingen wie sein Pontifex maximus von den auch für die Kirche aufregenden 60ern, wurde ausgerechnet 1968 zum Priester geweiht und hängte gleich noch ein Jahr Theologie in Tübingen an. Dort habe er „Revolutionsluft“ geatmet. Während man dem damaligen Theologieprofessor Ratzinger allerdings nachsagt, die Erfahrung der Revolte habe ihn erst recht ins Kircheninnere getrieben, zog es von Gemmingen danach in die Welt. In Tübingen sei der Wunsch größer geworden, „das Evangelium aus den Kirchen zu den Menschen zu tragen, die mit ihr nichts am Hut“ haben. Gemmingen machte Öffentlichkeitsarbeit für Dritte-Welt-Projekte.

Vom ZDF, wohin ihn die Deutsche Bischofskonferenz 1980 als ihren Beauftragten schickte, verabschiedete er sich nach zwei Jahren. Eingeweihte erinnern sich, dass auch Pater Gemmingen es dort öfter hatte krachen lassen, weil er oder die Bischöfe die ZDF-Kirchenredaktion lieber als Sprachrohr wollten denn als unabhängige Beobachter. In den gut 26 Jahren, die er nun den deutschen Teil von Radio Vatikan leitet und selbst Journalist ist, hat Gemmingen offenbar dazugelernt. Sollten ihm seine offenen Worte Feinde im Vatikan machen, dürfte er das gelassen sehen: In einem Jahr verlässt der Padre Rom und wechselt mit über 70 noch einmal den Beruf: Er wird oberster Spendensammler der deutschen Jesuiten. Andrea Dernbach

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