Landesparteitag der SPD: Platzecks Geheimnis
Selbst in der Ära des Alleinherrschers Manfred Stolpe war das undenkbar. Niemand hätte da geglaubt, dass Parteitage der brandenburgischen Genossen einmal so zelebriert würden: Matthias Platzeck, der große Vorsitzende, wird mit einem 95-Prozent-Votum zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl gekürt.
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Selbst in der Ära des Alleinherrschers Manfred Stolpe war das undenkbar. Niemand hätte da geglaubt, dass Parteitage der brandenburgischen Genossen einmal so zelebriert würden: Matthias Platzeck, der große Vorsitzende, wird mit einem 95-Prozent-Votum zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl gekürt. Die Delegierten winken in einer halben Stunde noch die Landesliste durch, geheim, demokratisch, keine Änderungen. Die persönliche Vorstellung der 78 Kandidaten wird eingespart, man kennt sich ja. Kampfkandidaturen, Flügelkämpfe, Abweichler, offener Unmut? Fehlanzeige, nichts von dem ist spürbar, was in anderen Parteien zum Alltag gehört. Die eintönige Geschlossenheit mutet beinahe unheimlich an. Wie schaffen es die Genossen, die Reihen so zu schließen?
Da wirkt vor allem die übergreifende Autorität des Vormanns. Matthias Platzeck allein garantiert, das hat sich bei der knapp gewonnenen Wahl 2004 tief eingeprägt, durch seine Popularität als „Landesvater“ modernen Typs den Erfolg der SPD. Das diszipliniert umso mehr, seit Platzeck den Bundesvorsitz nach einem gesundheitlichen Kollaps aufgeben musste. Es mag mittlerweile ein Tabu sein. Und doch grassiert seitdem eine latente Angst in der SPD um ihre Nummer Eins. Auch das schweißt zusammen. Es gibt noch eine profane Erklärung für die rote Eintracht: Es ist eine kleine Partei, die nicht zuletzt dank Platzecks Stärke gemessen an der Mitgliederzahl viele Posten, Mandate, Ämter zu vergeben hat. Das entspannt, das erleichtert Führung. Wer hier etwas werden will, schafft dies am ehesten durch Anpassung, engagierte Loyalität, nicht durch Ränkespiele, nicht durch Opposition. Es gibt deshalb kaum Verlierer, kaum Frustrierte. Selbst die Jusos, anderswo frecher Stachel, sind brav und domestiziert. Ist diese SPD auf dem Weg zu einer uniformierten, stromlinienförmigen Ja-Sager-Partei?
Niemand kann leugnen, dass eine solche Gefahr permanent besteht. Es gibt Abnutzungserscheinungen, einen Trend zum Mittelmaß, wie in anderen Parteien auch. Die SPD hat unter Platzeck ein System entwickelt, Konflikte intern zu klären, Posten auszukungeln. Streit auf offener Bühne überlässt man der Konkurrenz. Man kann das auch Filz nennen. Aber es ist nicht zuletzt diese Geschlossenheit nach außen, die eine moderne Partei stark macht, die beim Wahlvolk ankommt, gerade im konfliktscheuen und immer noch obrigkeitsorientierten Brandenburg. Entscheidend ist, dass anders als in der Stolpe-Ära, in der die SPD auf dem Weg zu einer verkrusteten Staatspartei war, die Sozialdemokraten den Realitäten und Notwendigkeiten nicht hinterherhinken, alles in allem, Ausnahmen bestätigen die Regel, Bodenhaftung und Problembewusstsein bewahren. Nicht allein aus eigener Kraft: Getrieben vom Koalitionspartner CDU (Bildung) und der Links-Opposition (Soziales) reagiert man flexibel, passt sich Erfordernissen an. Gewiss, dieses Land könnte immer noch besser regiert werden. Schlecht regiert wird Brandenburg vom Sozialdemokraten Platzeck und seiner treuen Gefolgschaft nicht.
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