Von Thorsten Metzner: Potsdams Trumpf, Berlins Manko
Es geht um zwei verblüffend ähnliche Geschichten diesseits und jenseits der Glienicker Brücke, beide voller Irrungen und Wirrungen: Wie hat man seit dem Fall der Mauer um den Wiederaufbau der durch Krieg und SED-Kulturbarbarei verlorenen Stadtschlösser gerungen, in Berlin und in Potsdam! Wie erbittert wurde gestritten, ehe die Politik dann an Havel und Spree die Heimkehr der einstigen Wahrzeichen besiegelte!
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Es geht um zwei verblüffend ähnliche Geschichten diesseits und jenseits der Glienicker Brücke, beide voller Irrungen und Wirrungen: Wie hat man seit dem Fall der Mauer um den Wiederaufbau der durch Krieg und SED-Kulturbarbarei verlorenen Stadtschlösser gerungen, in Berlin und in Potsdam! Wie erbittert wurde gestritten, ehe die Politik dann an Havel und Spree die Heimkehr der einstigen Wahrzeichen besiegelte! Aber damit enden Anno 2009 die Gemeinsamkeiten auch schon, jetzt fallen Gegensätze auf: In Berlin bleibt das ?Humboldtforum? eine Zitterpartie. Noch ehe der Bau begonnen hat, wird um explodierende Kosten, jetzt gar noch juristisch gefochten. In Potsdam dagegen geht es Schlag auf Schlag: Die Baugrube auf dem Alten Markt ist schon lange ausgehoben. Der Entwurf des Dresdners Peter Kulka wurde soeben zum Sieger gekürt, dem holländischen Bam-Konzern der Zuschlag erteilt, damit im Frühjahr 2010 der Bau beginnen, Weihnachten 2012 das brandenburgische Landesparlament in die Knobelsdorff-Residenz einziehen kann. Was hier anders läuft?
Alles braucht seine Zeit. Potsdam ist reif für das alte, neue Schloss, obwohl dessen Aufbau noch vor ein paar Jahren die Geister schied, undenkbar schien. Ach, wie hat man sich schwer getan. Da verkroch sich der Landtag lieber auf den "Kreml", in eine Bruchbude auf dem Brauhausberg. Da ließen die Ratsherren den brachliegenden Alten Markt links liegen, klotzten lieber ein Center nach dem anderen in die Stadt, legten sich gar mit der UNESCO an. Da zelebrierte man lange den typischen Streit der Ideologien zwischen Moderne und Erbe, "Disneyland" und Zeitgeist-Architektur, um die vermeintlichen Antagonismen. Und siehe da, irgendwann waren all diese Debatten geführt, die, das fällt auf, um den Berliner Schlossplatz und den Sieger-Entwurf des Italieners Franco Stella nicht verstummen wollen. Ist das der Unterschied?
Alles braucht seine Zeit. Potsdam ist reif, gereift für das alte, neue Schloss, für das es einen erstaunlich breiten Konsens gibt: Erst sprang der Landtag über seinen Schatten, dann gab das Stadtparlament grünes Licht, erst im dritten Anlauf, aber dann eben doch. In einem Bürgerentscheid stimmten die Potsdamer dafür, selbst die Linken stellten den plumpen Klassenkampf ein. Gewiss, zur Ehrenrettung der Berliner sei gesagt: Das Wunder von Potsdam hat auch mit günstigen Begleitumständen zu tun. Mit dem Mäzenatentum von Neu-Bürgern wie Günther Jauch und Hasso Plattner. Und natürlich ist das viel kleinere Schloss mit geborgenen Originalfassaden leichter zu rekonstruieren als der Berliner Gigant. Nur einhundert Millionen Euro schlägt es der öffentlichen Hand zu Buche? Kaum zu glauben. Man fragt sich einmal mehr, warum Brandenburg da zwanzig Jahre zauderte und knauserte, obwohl Dresden mit der Frauenkirche schon früh vormachte, welche Energien man mit kluger Stadtreparatur freisetzen kann.
Der Trumpf, mit dem Potsdam die Schwestermetropole am Ende aussticht, ist trotzdem ein anderer: Wenn man ein Königschloss aufbaut, gibt es in einer Demokratie keinen besseren Hausherren als den neuen Souverän, als die Volksvertretung. In Berlin ist das nicht möglich, deshalb die quälende, schwierigere Suche nach einer angemessenen Lösung für die große, große Leere hinter den Barockfassaden. In Potsdam ist es dagegen nur konsequent, für den Fall der Fälle, dass sich beide Länder doch irgendwann einmal zur Hochzeit entschließen sollten, den Schloss-Landtag gleich für die Berliner mitzubauen. Was gäbe es für Zeter und Mordio, und zwar mit Fug und Recht, wenn Brandenburg mit einem Single-Landtag die Fusion Stein auf Stein beerdigen würde? Ach ja, natürlich wird auch in der Sanssouci-Stadt, typisch, typisch, weiter gestritten - ob man Kupfer für das Schlossdach statt billigem Zinkblech nehmen kann. Glückliches Potsdam.
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