Meinung: Recht – auch für Rechte
Das Demonstrationsrecht gilt für alle. Darum ist es falsch, Sitzblockaden zu dulden
Stand:
Es ist unerträglich, Rechtsextreme durch seine Heimatstadt laufen zu sehen. Aber was ist das gegen das Recht auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit? Was ist das gegen den Grundsatz der Demokratie, unseres Gemeinwesens, dass alle die gleichen Rechte haben? In Brandenburg gibt es die Tendenz, bei so grundlegenden Fragen mal Fünfe gerade sein zu lassen , so wie bei der Blockade des NPD- Aufmarsches am Samstag in Potsdam: Bei genehmigten Aufzügen von Rechtsextremen wird hingenommen, dass diesen Bürgern ihr Recht auf Demonstrationsfreiheit genommen wird.
Die Demokratie bietet viele Varianten des Gegenhaltens, des Deutlichmachens, dass die Braunen nicht die Mehrheit sind. Und so schön und ermutigend es war, dass 3000 Potsdamer gegen 80 Neonazis standen: Es bleibt ein Makel.
Es steht jedem Bürger frei, sich in zivilem Ungehorsam zu üben. Das ist das Notpfand eines jeden, der sich im totalen Notstand sieht, der für sich glaubt, der Staatsgewalt gegenüber einem höheren Ziel verpflichtet zu sein. Das muss jeder für sich entscheiden. Nur muss dann jeder auch die Konsequenzen aus diesem Gesetzesbruch – darum handelt es sich bei einer Blockade – ziehen und zumindest mit einem Ermittlungsverfahren und einem Ordnungsgeld rechnen. Und vorher muss ihm klar sein, dass die Blockade geräumt werden kann von der Polizei – mitsamt Oma und Enkelkind. Zur Not mit Gewalt. Jammern gilt da nicht – Tapferkeit ist Bürgerpflicht.
Den Skandal leistet sich aber der Staat, der in Brandenburg zunehmend dazu übergeht, einfach nichts zu tun, wenn sich Bürger Bürgern in den Weg stellen. Als vor einem Jahr in Neuruppin die Polizei sehr unsanft gegen eine Straßenblockade gegen eine Neonazi-Demonstration vorging, hagelte es Kritik – bis in die Landesregierung hinein. Es hagelte auch Kritik an der Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft gegen die Blockierer – darunter auch Landes- und Bundespolitiker – ermittelte und Strafgelder verhängen wollte. Alle Verfahren wurden eingestellt. Die Polizei tut seit dem fast nichts mehr.
Aber was ist das aber für ein Zeichen? Den – nicht verbotenen – Rechtsextremen, die eine genehmigte Demonstration abhalten wollen, dürfen die Grundrechte genommen werden? Demokratie funktioniert aber nicht nach Gutdünken; in ihr gibt es keine Diktatur der Guten, kein zweierlei Maß. Man muss in der Demokratie auch einmal etwas aushalten können – auch die Demonstration unsäglicher Meinungen.
Oder ist die Demokratie in diesem Land in einem derart schlechten Zustand, unser Gemeinwesen derart bedroht, dass wir mit vier oder zehn Prozent Bekloppten am rechten Rand nicht fertig werden? Wer den Rechtsextremen das Demonstrationsrecht nimmt, vor allem aber, wer diesen bewussten Gesetzesbruch nicht sanktioniert, der gibt den Rechtsextremen Macht. Die Macht, die Demokraten zum Gesetzesbruch zwingen zu können – immer wieder, mit jeder Demonstration. So machtlos sollten Demokraten nicht sein. Der Staat erst recht nicht.
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