Meinung: Rechts ausgewogen
Scharons Koalition ist relativ gemäßigt – jetzt muss Bush Druck machen
Ein Krieg im Irak ist mit vielen Risiken behaftet. Nicht zuletzt, was Israel anbelangt: Wird Saddam Hussein wieder Scud-Raketen, von denen er möglicherweise noch bis zu 40 besitzt, nach Israel schicken – diesmal mit biologischen oder chemischen Waffen bestückt? Und wie würde Israels konservative Regierung darauf reagieren?
Ariel Scharon hat, so sieht es zumindest aus, endlich eine Koalition zusammen. Die Arbeitspartei ist nicht dabei, aber es ist auch nicht allein eine Regierung der (extremen) Rechten. Die radikale Nationalreligiöse Partei wird von den Säkularisten der Schinui ausbalanciert. Und Scharon sitzt dort, wo er sich dem Wähler am liebsten präsentiert: in der Mitte. Es ist also, für den Kriegsfall, nicht das schlimmste denkbare Szenario.
Als Scharon vor zwei Jahren zum Premier gewählt wurde, war die Empörung bei den arabischen Nachbarn groß. Als Reaktion auf israelische Vergeltungsmaßnahmen berief Ägypten Ende 2000 sogar seinen Botschafter ab. Nach dem Erdrutschsieg Scharons Ende Januar ist jetzt Realismus eingekehrt. Ägypten intensiviert die Kontakte zu Israel. Denn Hosni Mubarak hat verstanden, dass er eine Eskalation am ehesten verhindert kann, wenn er gleichermaßen auf palästinensische Extremisten und auf Scharon Einfluss nimmt.
Zwar macht sich Scharon – etwa in Gaza – zu Nutze, dass sich die Aufmerksamkeit der Welt momentan auf die Irak-Krise richtet. Ein breit angelegter Schlag gegen die Autonomiebehörde im Schatten eines Irak-Kriegs ist mit Schinui aber wohl kaum zu machen. Es sei denn, die palästinensischen Terroristen tun sich zusammen, um ihre Solidarität mit dem Irak mit einem Mega-Anschlag zu beweisen. Das fürchten die Israelis inzwischen fast mehr als einen irakischen Angriff.
Und was geschieht mit dem Friedensprozess, der von der Irak-Krise derzeit in den Hintergrund gedrängt wird? Scharon hat seine Bereitschaft zu „schmerzhaften Kompromissen“ mehrfach wiederholt. Angesichts regelmäßiger palästinensischer Anschläge hat er diese Bereitschaft aber noch nicht beweisen müssen. Schinui-Chef Tommy Lapid soll von Scharon nun eine schriftliche Verpflichtung auf Bushs Friedensplan bekommen haben, der die Schaffung eines Palästinenserstaates vorsieht. Bisher hat Scharon aber immer abgelehnt, vor einem Ende der Anschläge mit den Palästinensern in politische Verhandlungen einzutreten. Und Israels Premier fordert weiter eine Reform der Autonomiebehörde, will sagen: den Abschied Arafats.
Eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses ist also zunächst nicht in Sicht. Allerdings lässt sich nicht leugnen, dass der drohende Irak-Krieg eine gewisse disziplinierende Wirkung ausübt. Die Israelis wissen, dass sie den großen Verbündeten USA in den schwierigen diplomatischen Verhandlungen über den Irak nicht desavouieren dürfen. Und bei den Palästinensern hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass man Scharon im Kriegsfall besser nicht provoziert, um keinen Vorwand für ein Zuschlagen zu liefern. Nur: Ob sich die Extremisten davon beeindrucken lassen?
Scharons Regierung stützt sich auf die denkbar knappe Mehrheit von einer Stimme – auch wenn die rechtsextreme Nationale Union später noch dazustoßen könnte. Das ist der Preis dafür, dass der Likud sich aus der Schicksalsgemeinschaft mit der orthodoxen Schas-Partei befreit hat. Und ein Signal, dass der alte Mann der israelischen Politik bereit ist, neue Wege zu gehen. Klar ist allerdings, dass Scharon in Sachen Frieden nur dann seine Blockadepolitik aufgeben wird, wenn man ihn dazu zwingt. Genauer: wenn Amerika ihn zwingt.
Was soll zuerst gelöst werden, der Nahostkonflikt oder das Problem Saddam – diese Frage scheint von der US-Regierung schon entschieden worden zu sein. Doch den Strategen in Washington dürfte klar sein, dass ihre Glaubwürdigkeit bei der Demokratisierung des Irak und für das „Grand Design“ einer Öffnung der nahöstlichen Gesellschaften davon abhängt, ob sie Scharon auf das Gleis zum Frieden setzen können. Israel mag ein willkommener Vorwand sein für orientalische Despoten, um von eigenen Versäumnissen abzulenken. Doch für den Nahostkonflikt gilt dasselbe wie für die Börse: 50 Prozent sind Psychologie. Mindestens.