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Rückkehr von Geflüchteten nach Syrien: Die falsche Zeit für flotte Antworten
Ab nach Syrien, wer Deutschland Geld und Mühen kostet. Hiergeblieben, wer noch eine Bettpfanne zu leeren hat: So sollte die Debatte über die Heimkehr von Geflüchteten keinesfalls laufen.

Stand:
Im Zeitraffer ereignet sich in Syrien gerade Weltgeschichte. Die Syrer haben Baschar al-Assad verjagt. Sein Erbe aber, das Grauen von mehr als 54 Jahren Diktatur, lässt sich nicht einfach außer Landes fliegen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sendet in dieser Lage das richtige Signal: Alle Asylverfahren sind vorerst ausgesetzt. Eine seriöse, stabile Entscheidungsgrundlage gibt es nicht und es wird sie auch so schnell nicht geben. Wenn eines gerade unpassend ist, dann sind es flotte Antworten, wo sich doch in Wirklichkeit sehr viele Fragen stellen.
Durchaus möglich, dass in Syrien ein islamistisches Regime übernimmt. Neun von zehn Menschen im Land leben in Armut. 7,5 Millionen Kinder sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Beides sollte sich vor Augen führen, wer nun als allererstes laut darüber nachdenkt, welche Syrerinnen und Syrer wann zurückkehren können.
Verwunderlich ist nicht, dass diese Stimmen zu hören sind, erst recht in Wahlkampfzeiten. Trotzdem droht die nun anlaufende Diskussion zum Beispiel für falsche politische Prioritätensetzung zu werden.
Viel besser wäre alle Energie in die Debatte investiert, was Deutschland denn tun kann, damit Syrien Stabilität, Sicherheit und – Hoffen ist erlaubt – so viel Freiheit wie nur möglich erreicht. Denn nur in dieser Reihenfolge kann es funktionieren: Alles dafür tun, dass Syrien in eine gute Zukunft aufbricht. Dann darüber nachdenken, was das Ergebnis für Geflüchtete in Deutschland bedeutet, ob und wann Menschen ihre vorübergehende Zufluchtsstätte wieder verlassen müssen.
Leider ist aber auch gut denkbar, dass in Syrien ein neuer Bürgerkrieg beginnt. Womöglich treten am Ende nicht weniger, sondern mehr Menschen als in den vergangenen Jahren die Flucht nach Europa an.
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In welche Richtung sich das Schicksal des Landes wendet, ist offen. Es ist eine Ungewissheit, wie sie die Syrerinnen und Syrer auch in Deutschland schon lange kennen. Sie müssen sich nun nicht mehr fragen, ob Assads Schreckensherrschaft je enden wird, und ob die Menschen, die ihnen lieb sind, aus den Foltergefängnissen freikommen werden. Doch was nun Neues folgt und welche Zukunft Syrien vielleicht für sie persönlich bereithält, können sie nicht wissen.
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Wenn es um die Frage der Rückkehr geht, helfen Klischees in beide Richtungen nicht. Weder sind alle Geflüchteten nach Jahren in Deutschland bestens integriert und motiviert, nach Kräften ihren Anteil zu leisten. Noch kamen nur Menschen, die das Sozialsystem ausnutzen oder Straftaten begehen.
Die Zahl der Ankommenden hat Deutschland massiv gefordert und oft auch überfordert – ob es um Finanzen oder soziale Infrastruktur geht. Das Problem Islamismus bis hin zu dessen mörderischen Folgen ist in Deutschland zu lange kleingeredet worden. Es wird noch heute kleingeredet von manchen, die mitverantwortlich sind für die Sicherheit im Land.
Wahr ist aber auch, dass aus sehr guten Gründen ein Recht auf Schutz in Europa hat, wer vor einem brutalen Feldzug eines Diktators gegen sein eigenes Volk fliehen muss. Und wahr ist, dass viele, die hierher geflohen sind, das Land bereichert haben. Deutschland ist für viele Syrerinnen und Syrer ein Zuhause geworden, nicht zuletzt für die Kinder, die hier geboren wurden und ihre vermeintliche Heimat gar nicht kennen.
Und wer weiß, mancherorts könnte die Sache eine überraschende Wendung nehmen. Man stelle sich vor, etwa in einem Krankenhaus auf dem Land fehlten plötzlich Ärztinnen und Pfleger aus Syrien, die den Betrieb bisher am Laufen hielten – weil sie eben doch in die Heimat zurückwollen.
Egoismus ist erlaubt, wenn es darum geht, wen Deutschland zum Hierbleiben verleiten will, etwa durch einen guten Job mit guter Bezahlung. Er kann aber nicht die alleinige Richtschnur sein. Die Geflüchteten sind keine Verfügungsmasse der Politik, frei nach dem Motto: Ab nach Syrien, wer Deutschland Geld und Mühen kostet. Hiergeblieben, wer noch eine Bettpfanne zu leeren hat.
Deutschland sollte einen höheren Anspruch an sich selbst und die eigenen Grundsätze der Menschlichkeit haben.
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