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Platzeck in der Krise: Rückwärts gegen die Wand

Rot-Rot ist in Brandenburg mit einem enormen Tempo gestartet: So schnell hat es noch keine Koalition vor dieser geschafft, den Ruf Brandenburgs zu ruinieren. Gereicht haben dafür ein paar genauere Blicke in die Viten des Linke-Personals, das in keinem anderen Bundesland so sehr aus Altkadern und Ex-Spitzeln besteht, wie hier.

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Rot-Rot ist in Brandenburg mit einem enormen Tempo gestartet: So schnell hat es noch keine Koalition vor dieser geschafft, den Ruf Brandenburgs zu ruinieren. Gereicht haben dafür ein paar genauere Blicke in die Viten des Linke-Personals, das in keinem anderen Bundesland so sehr aus Altkadern und Ex-Spitzeln besteht, wie hier. So ist also Brandenburg wieder Stasi-Land. Die eigentliche Leistung der bisherigen Platzeck-Regierungszeit und von Rot-Schwarz in Brandenburg, nämlich den Ruf des Landes wieder aufgemöbelt zu haben, ist damit schon hinfällig. Von 100 auf Null nach knapp drei Wochen Koalition – bei diesem Tempo kann einem schon mal schlecht werden.

Nun könnte man angesichts der neuen Stasi-Fälle in der Linke-Landtagsfraktion von Gerlinde Stobrawa und Gerd-Rüdiger Hoffmann auf die Idee kommen, dass Platzeck und seine brandenburgische SPD von der Linken bei der Koalitionsbildung hinters Licht geführt worden sind. Doch das wäre Legendebildung.

Denn Platzeck und sein Beraterumfeld haben einfach nicht wissen wollen, mit wem sie da koalieren. Kein IM ins Ministeramt, das war die einzige, von Platzeck vorgegebene Devise. Der Rest: egal.

Platzeck, das muss angemerkt werden, ist politisch erst zu dem geworden, was er ist, weil er als Mitglied der Bündnis90-Fraktion und als Umweltminister im Kabinett von Manfred Stolpe (SPD) gegen Konsequenzen aus der Stasi-Vergangenheit Stolpes war. Platzeck ist, was das angeht, Pragmatiker. Als Politiker erreicht er die Menschen wie kein zweiter; er hat einen seltenen Instinkt fürs Situative. Für den Rest hat er – dagegen ist nichts einzuwenden – seine Leute. Nur: Sein engstes Beraterumfeld besteht auch aus Klaus Ness, dem SPD-Landesgeneralsekretär. Der Niedersachse war es, der Platzeck den Versöhnungsappell niederschrieb, mit dem dieser sich via Spiegel bundesweit blamierte. Die Botschaft: Man müsse sich doch endlich mal mit den alten SED-Kadern aussöhnen. Der Haken an diesem „Versöhnungskitsch“, wie es ein Kommentator nannte, ist: Man muss dann die Täter aber auch kennen.

Platzecks wichtigsten Beratern ist an einer Geschichtsaufarbeitung, in der nicht sie die Richtung vorgeben, nicht gelegen. Auch, weil sie Stolpe im Stasi-Streit einst selbst den Rücken freigehalten, die Verteidigungsstrategie selbst miterarbeitet hatten. Sie waren es, die vielen Brandenburgern miteingeredet haben, dass der böse Westen sich stellvertretend für alle Ossis an Stolpe rächt. Die Botschaft jener Zeit: Das Böse lauert draußen, wir müssen hier zusammenrücken. Verhängnisvoll heute ist, dass Ness und andere Berater die Stasi-Problematik noch immer nicht verstanden haben. Das zeigt ein Gastbeitrag, mit dem Ness jüngst in der Märkischen Allgemeinen Zeitung auf eine der üblichen Ossi-Polemiken von Ex-Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) reagierte. Nicht die Stasi-Verstrickungen und all die Nachwende-Lügen Stolpes seien ein Problem gewesen, sondern die Anmaßung der (West-)Medien, zu recherchieren und Stolpe immer wieder der Lüge zu überführen. Ness: „Wir in Brandenburg haben dies in der ersten Hälfte der 90er Jahre im Zusammenhang mit der Diskussion um Manfred Stolpe erleben müssen. Eine westdeutsche mediale Kampagne versuchte damals, einen beliebten Ministerpräsidenten wegen seiner Rolle in der DDR aus dem Amt zu drängen. Die Brandenburger spürten, dass diese Sichtweise nichts mit ihren Erfahrungen zu tun hatte. Deshalb scheiterte diese Kampagne am ostdeutschen Eigensinn der Brandenburger.“ Einen beliebten Regierungschef darf man also nicht stürzen – Stasi hin, Lügen her.

Zukunft braucht Herkunft – mit diesem Spruch hat Platzeck sein letztes Buch betitelt. Kurz darauf ist er eine Koalition mit einer Partei eingegangen, die er nicht kannte, mit der er sich nicht näher beschäftigt hat, deren Tiefen und Untiefen seine Berater nicht erkundet hatten. Deshalb muss mit ihnen nun ganz Brandenburg bitterlich einsehen, mit wem da tatsächlich koaliert wird, welche Herkunft wer hat.Nach Platzecks Leitspruch also: So keine Zukunft. Spät, aber noch nicht zu spät, kommt daher selbst aus der eigenen Partei der Rat an den Mann am Lenker: Die Bremse ist das Pedal in der Mitte. Man muss nur drauftreten.

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