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Schlichterin Renate Jaeger: "Für viele Anwälte war ich ein rotes Tuch"

Wer sich von seinem Anwalt schlecht behandelt fühlt, kann vor Gericht ziehen. Doch viele verzichten darauf, ihren Anwalt zu verklagen, weil sie sich unterlegen fühlen. Abhilfe verspricht in diesem Jahr eine neue Schlichtungsstelle. Besetzt wird sie mit Renate Jaeger.

Ein Mandant bei seinem Anwalt. „Was kostet es, wenn Sie mir drei Fragen beantworten?“ „Tausend Euro.“ „Oh, ist das nicht ziemlich teuer? „Mag sein. Und was bitte ist Ihre dritte Frage?“

Der Klassiker unter den Anwaltswitzen wirft ein Licht darauf, mit wem man noch streiten kann, wenn man einen Rechtsstreit führt. Zum Beispiel mit dem Anwalt. Das Gesetz adelt ihn als „Organ der Rechtspflege“, das Berufsrecht schnürt ihm ein enges Korsett, die Ausbildung trainiert ihn auf Richterniveau. Doch in der Praxis gibt es hier wie überall schwarze Schafe, verzeihliche Versäumnisse, mittlere Schlamperei und grandiose Fehler. Wer sich schlecht behandelt fühlte, der tat was? Er zog vor Gericht. Doch viele verzichten darauf, ihren Anwalt zu verklagen, weil sie sich unterlegen fühlen – und im Zweifel wieder einen Anwalt brauchen.

Abhilfe verspricht in diesem Jahr erstmals eine neue Schlichtungsstelle, eingerichtet bei der Bundesrechtsanwaltskammer in Berlin. Besetzt wird sie mit Renate Jaeger, die an diesem Dienstag mit einer Feierstunde in ihr Amt eingeführt wird. Die Wahl macht deutlich, dass Menschen, die sich mit ihrem Anwalt anlegen, hier Hilfe erwarten können. Jaeger ist eigentlich keine gelernte Schlichterin, sie ist gelernte Richterin. Tatkräftig und resolut. Sie weiß schnell, wann eine Beschwerde Hand und Fuß hat. Und hat sie es nicht, wird sie dies deutlich sagen.

Die 70 Jahre alte gebürtige Darmstädterin mit einer Wohnung und besten Kontakten in Berlin hat nicht nur eine Amtszeit am Bundesverfassungsgericht hinter sich, sie war auch die langjährige deutsche Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. In beiden Funktionen war sie bekannt für klare Worte und ein zupackende Art. Zum Beispiel hat sie in ihrem Karlsruher Amt mit dafür gesorgt, das Anwaltstreiben in Deutschland etwas transparenter zu gestalten – nicht immer zum Pläsier der Anwaltschaft. Für viele sei sie da ein „rotes Tuch“ gewesen, erinnert sie sich. Auch in Straßburg hatte sie manche Front zu beruhigen, Deutsche gelten in Europas Rechtsgemeinschaft schließlich als welche, die vieles besser wissen, manchmal zu vieles. Da musste sie das richtige Maß finden. Doch Maß und Mitte, dafür ist eine Richterin Expertin. Es gibt auch weniger widerspenstige als sie, sagt sie, aber Streithähne wissen, dass ein guter Vermittler ein Profil braucht und auch Druck aufbauen kann. Und wer nicht mitschlichtet, der wird gerichtet. Jost Müller-Neuhof

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