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Scholz unter Handlungsdruck: Ein Kanzler wird Kult – wenn er erfolgreich ist
Olaf Scholz bietet Führung an, dafür sieht er sich bestellt. Er entscheidet – stoisch, allein. Also wird er auch an den Ergebnissen gemessen. Denn das gefällt nur im Falle des Erfolgs.

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Eine Augenklappe wie Moshe Dayan oder ein Piratenkapitän. Ein Pflaster im Gesicht, nachdem er sich beim Rasieren geschnitten hat, ganz wie Otto Normalverbraucher. Eine Aktentasche wie Lehrer Lämpel oder der Chefbuchhalter – nicht, dass Olaf Scholz am Ende noch Kult wird. Er arbeitet jedenfalls dran. Und entscheidet jetzt auch noch.
Gut, dieser Kanzler ist keiner, der die Massen mitreißt. Reden, na ja, das ist nicht so seins. Wenn er je wirklich h wie Helmut Schmidt, der große Hamburger werden wollte – Staatsschauspiel kann Scholz im Gegensatz zu dem nicht. Aber regieren, da geht was.
Zwei Beispiele aus jüngster Zeit, die geeignet sind, das Bild von Scholz, sagen wir: zu verfeinern. Gemeint sind Baugipfel und Migrationspolitik. In beiden Fällen hat der Kanzler das letzte Wort gehabt; nur nicht laut. Eher hat er sich angeschlichen. Seine Worte hatten auch so Macht.
Führen heißt für ihn auch: ignorieren
Warten kann er, das muss man Scholz schon mal lassen. Ein Stoiker eigener Art. Ob er eine eigene Schule gründet? Anders als Epiktet, der meinte: Nicht die Taten bewegen die Menschen, sondern die Worte über die Taten. Bei Scholz ist es andersherum, und er scheint darauf zu bauen, dass sich die Taten herumsprechen.
Nehmen wir den Baugipfel. Dass Ministerin Klara Geywitz schon Anfang 2022 ein Bündnis von Politikern und Verbänden der Wohnungs- und Bauwirtschaft ins Leben gerufen hat, hat sich ja auch nicht so verbreitet. Dass 187 Maßnahmen besprochen und teils umgesetzt wurden – wer weiß das? Ja, Scholz. Weil ihn vor allem Ergebnisse interessieren.
Das, was ihn endgültig, endlich auf den Plan rief, ist der ausbleibende Bauboom. Zu viele Interessen, zu viele Regularien, zu viele Hürden, zu wenig Durchsetzungskraft – Ergebnis: Ein Gipfel im Kanzleramt soll’s richten.
Wie beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, beim Abbau der Bürokratie, bei der Bekämpfung der Corona-Folgen, beim Deutschlandpakt. Rücksicht auf Minister oder Koalitionsbefindlichkeiten oder gar aufs Parlament und die Fraktionen wird von ihm nur so lange genommen, wie Scholz Geduld hat. Das Maß bestimmt er – allein. Führen heißt für ihn auch: ignorieren. Das gefällt nur im Falle des Erfolgs.
Apropos Rücksichtnahme: Was in der Ampel-Koalition an großen Vorhaben umstritten ist – eigentlich so ziemlich alle – ignoriert Scholz nicht. Nachtragend ist er nämlich auch. Wie hatte er zu Beginn gesagt? Man müsse dem anderen nur auch mal was gönnen, dann funktioniere das schon. Das funktioniert ja erkennbar nicht – und dann kann es passieren, dass der Kanzler seinerseits als eine Art Regierungsautomat funktioniert. Es muss doch vorangehen. Wehe, wenn nicht.
Scholz mangelt es nicht an Selbstbewusstsein
Und es ist im Grunde genommen auch ganz einfach: Ohne Unterstützung beim Wähler wird keine der Parteien erfolgreich sein. Dafür müssen die wichtigen Themen gelöst werden. Noch sind sie es nicht, nicht ganz. Deshalb ist Scholz dran, beim Bau, bei der Migration. Nur wird der Kanzler jetzt an den Ergebnissen gemessen, er allen voran.
In jeder Kanzlerschaft kommt die Erkenntnis, dass es etwas Größeres als einen selbst gibt. Selbst größer als Scholz.
Stephan-Andreas Casdorff
Auch an den Ergebnissen bei den Wahlen. Denn immer mehr Menschen wollen die AfD wählen, die um ihren sozialen Status fürchten. Noch ist das rechts-nationalistische Weltbild nicht überall gefestigt. Aber bald. Statusängste und Zukunftssorgen können rigide, autoritäre Einstellungen fördern. Dem die Grundlage zu nehmen, heißt, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.
Das musste ihm aber niemand mehr sagen. Dahinter steht nämlich die Erkenntnis, dass er gar nicht mehr anders kann. In jeder Kanzlerschaft kommt die Erkenntnis, dass es etwas Größeres als einen selbst gibt. Selbst größer als Scholz. Und dem mangelt es nicht an Selbstbewusstsein.
Aber Scholz ist jetzt entschieden: Dafür bietet er Führung an, dafür sieht er sich bestellt. Sollen die anderen reden, er regiert.
Und wenn er wieder gehandelt hat, ohne groß zu reden – dann sieht man’s an seinem schlumpfigen Grinsen. So hat das Markus Söder einprägsam genannt. Nicht, dass ausgerechnet der auch noch zum Kult um Scholz beiträgt.
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