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Shirin David beim Lollapalooza Festival Berlin. Hier konnte sie die Presse nicht ausschließen.

© picture alliance/dpa/Jörg Carstensen

Shirin David will keine Kritik: Wenn die Presse unerwünscht ist

Für die Konzerte von Shirin David gibt es keine Presseakkreditierungen. Auch andere Stars schließen die Medien aus. Das ist eine höchst problematische Entwicklung.

Aida Baghernejad
Ein Kommentar von Aida Baghernejad

Stand:

Liebe Lesende, eigentlich wollte ich Ihnen diese Woche vom Berlinkonzert des aktuell größten Sternchen des deutschen Musikbetriebs berichten: Shirin David. Gerne hätte ich Ihnen erzählt, welche Songs sie performt, wie ihre Bühnenperformance aussieht, wie das Publikum reagierte und ob Songs ihres neuen Albums wie „Bauch Beine Po“, mit Zeilen wie „Geh’ ins Gymmie, werde skinny“, ironisch den Schönheitswahn unserer Gesellschaft kommentieren sollen – oder einfach ernst gemeint sind.

Aber leider wird daraus nichts: Für Shirin Davids aktuelle „Schlau aber blond“-Tour gibt es keine Presseakkreditierungen, wie es sonst Usus ist bei Konzerten. Nun könnte man einwenden, dass dies natürlich das gute Recht der Künstlerin und Veranstalter ist und Journalisten auch einfach ein Ticket kaufen könnten wie jeder andere Gast – doch eine derartige Entscheidung ist immer auch ein symbolischer Akt. Und dieser ist gleichbedeutend mit einer Ausladung der freien Presse.

Auch Dua Lipa und Limp Bizkit lassen keine Presse zu

Damit ist David, bürgerlich Barbara Schirin Davidavičius, nicht alleine: Auch Tokio Hotel ließen bei ihrer letzten Tour nur teilweise Medienvertreter zu, international machten dies Justin Timberlake, Limp Bizkit, Dua Lipa oder Sabrina Carpenter vor.

Im Fall von Tokio Hotel ist der Grund nachvollziehbar: In ihrem Podcast „Senf aus Hollywood“ und ihrer Netflix-Serie sprechen die Kaulitz-Brüder über ihre negativen Erfahrungen mit Boulevardmedien und wie die nicht nur ihre Jugend, sondern auch ihre Gegenwart eingeschränkt haben. Heute kontrollieren sie über ihre eigenen Kanäle – Serie, Podcast, Social-Media-Plattformen – ihr Bild und Narrativ.

Individuell ist es verständlich, nichts mehr mit der Klatschpresse zu tun haben zu wollen. Strukturell aber zeichnet sich eine beunruhigende Pressefeindlichkeit ab. In Zeiten, in denen Künstler über die schiere Menge ihrer Followerschaft auf sozialen Netzwerken und den daraus resultierenden parasozialen Beziehungen ihrer Fans zu ihnen Einfluss akkumulieren, ist es umso wichtiger, dass Medien unabhängig berichten können.

Kulturjournalismus ist dafür da, Kunst und Kultur im Spiegel der Zeit kritisch zu betrachten und Kontext zu liefern. Es mag banal klingen, aber jedes Outfit, jede Tanzbewegung und jede Zeile eines Popstars sagt auch etwas über die Welt aus, in der wir leben. Eine Ausladung der Presse ist da ein eindeutiges Zeichen – und zwar gegen freien Ausdruck. Ist dies wirklich die Botschaft, die Shirin David senden möchte?

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