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Berlinale: Vorhang auf für die Doppelspitze

Er ist ein Tausendsassa, Spaßvogel und Gastgebermeister. In zehn Jahren Amtszeit hat Dieter Kosslick die Berlinale in ein Feel-good-Festival verwandelt, das die ganze Stadt in Bann zieht. Dieter Kosslick ist ein toller Impresario. Was der Berlinale fehlt: ein künstlerischer Leiter.

Der Filmmarkt hat sich nach der Finanzkrise wieder berappelt; und eine klare Haltung legt der Chef auch an den Tag. Die unermüdlichen Protestaktionen für den verurteilten iranischen Regisseur Jafar Panahi verliehen der Berlinale 2011 politische Strahlkraft. Was das Event als Ganzes betrifft, gibt es keinen Grund, an Kosslicks Stuhl zu wackeln oder den in den letzten Tagen aufflackernden Rücktrittsgerüchten Glauben zu schenken.

Aber da ist die spärliche Qualität der Filme. Das Ausbleiben der Autorenfilmer von Rang. Der Hanekes, Almodóvars, Kaurismäkis, Woody Allens, Ken Loachs. Früher kamen sie, jetzt zieht es sie nicht mehr hierher. Vor allem nicht in den Wettbewerb, dessen Bilanzen erneut negativ ausfallen. „Mittelmäßig“, „fade“, „denkbar schwach“, „eine Misere“ – so lautet das bundesweite Medienecho auf die am Sonntag zu Ende gegangene Berlinale 2011. Für die internationale Fachpresse rangiert das Festival ohnehin längst hinter den Konkurrenten Cannes und Venedig. Auch das verantwortet Kosslick.

Klar, einige Probleme sind strukturell bedingt. Der Abwanderung der Amerikaner seit der Vorverlegung der Oscars – womit sich die Funktion des Festivals als Werbeplattform parallel zu den Nominierungen erübrigt – ließe sich nur mit einer Verschiebung in die erste Januarhälfte begegnen. Ein unrealistischer, unattraktiver Termin: Berlin hat eh weniger Sonne zu bieten als die Konkurrenz und schon gar keinen Strand. Anders als Frankreich ist Deutschland außerdem keine Filmnation, auch das kann Kosslick nicht ändern. „About Elly“, der 2009 mit einem Silberbären ausgezeichnete Film des diesjährigen Goldbären-Gewinners Asghar Farhadi, hatte in Frankreich über 100 000 Zuschauer. In Deutschland brachte ein tapferer Verleih ihn erst diesen Januar heraus: knapp 1500 Zuschauer.

Umso mehr fällt das Naturell des Chefs ins Gewicht. Reist Kosslick, der ehemalige Filmförderer, genug in der Welt herum, pflegt er beharrlich und leidenschaftlich Kontakte, um das knappe Gut anspruchsvoller und publikumsträchtiger Produktionen anzulocken? Auch Italien ist keine Filmnation. Marco Müller, Chef in Venedig, früher Filmproduzent, gelingt es trotzdem, Regisseure wie Darren Aronofsky, Sofia Coppola oder Julian Schnabel zu gewinnen. Filmkünstler brauchen einen charmanten, aber vor allem filmkundigen Gesprächspartner, der ihr Vertrauen und ihren Respekt genießt. Das ist nicht Kosslicks Stärke.

So fehlt den eher stillen Wettbewerbsfilmen weniger bekannter Regisseure oft die innere Stärke, um das Ausbleiben der Prominenz wettzumachen. Sie unterscheiden sich kaum noch von den besseren Produktionen der Nebenreihen.

Warum also nicht eine Doppelspitze? Kosslick macht seinen guten Job als Impresario weiter, und der Bund als oberster Dienstherr stellt ihm einen künstlerischen Leiter zur Seite, der Cannes und Venedig den ein oder anderen big name abspenstig macht. Kosslicks Vertrag läuft bis 2013. Ein Ko-Chef stünde ihm schon 2012 gut an.

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