Von Fabian Leber: Wenn Prinzipien vor Vernunft gehen
Die FDP will sich stets treu bleiben – damit schadet sie der Koalition und sich selbst
Stand:
Beflügelt von ihrem Wahlergebnis wollte die FDP alles auf einmal erreichen: weg mit dem Vorwurf der Klientelpolitik, die Steuersätze runter, zur Volkspartei werden. Ans Regieren war da kaum zu denken. Jetzt aber zeigt sich, dass auch das schon hohe Staatskunst ist. Umso mehr an einem Tag wie dem gestrigen Donnerstag, an dem die lange erwartete Steuerschätzung mit den Verhandlungen um einen parteiübergreifenden Griechenlandantrag zusammenfiel. Es hätte keine bessere Gelegenheit geben können, um den Wandel der FDP zur Vernunftpartei zu illustrieren. Die Liberalen hätten nicht einmal etwas dafür tun müssen. Ihr Umfallen wäre als Dienst an der Gemeinschaft bewertet worden.
Stattdessen wurde deutlich, dass die FDP immer noch mit sich selbst überfordert ist. Wenn die Fraktionschefin der Liberalen, Birgit Homburger, die Koalition infrage stellt, weil in einem unverbindlichen Entschließungsantrag zusammen mit der Opposition eine Finanztransaktionssteuer geprüft werden soll, dann offenbart dies ein hohes Maß an Selbstbezogenheit in Zeiten der bisher tiefsten europäischen Krise.
Als Außenminister hätte Guido Westerwelle in einer solchen Situation auch Sätze sagen können wie diese: „Damit das klar ist, ich muss hier Klarheit schaffen! Weil, es nützt ja nichts, wenn ich heute erzähle, na ja, das ist alles nicht so schlimm, und dann mache ich irgendwie, weil ich meine, ich könnte gerade mal so weitermachen. Da habe ich ein anderes Verständnis von Regierungsbeteiligung.“ Die Worte stammen von Joschka Fischer, er sagte sie auf dem Grünen-Sonderparteitag im Mai 1999 in Bielefeld.
Schon einmal also stand eine kleine Partei ein halbes Jahr nach ihrem Eintritt in die Regierung vor der Alternative, ihrer Eigengesetzlichkeit zu folgen oder staatstragend zu werden. Den Grünen hatte es damals nicht geschadet, von ihren Prinzipien abzugehen. Im Gegenteil: Die wohlwollende Betrachtung der Grünen bis weit hinein ins bürgerliche Spektrum wurde so überhaupt erst möglich gemacht.
Von so viel Eigenmut sind die Liberalen jedoch weit entfernt. Auf weit über 30 Prozent schätzt der Wahlforscher Manfred Güllner das Potenzial der Liberalen. Doch die FDP scheitert am Einfluss einer 14,6-Prozent-Partei. So gesehen sind die Steuerschätzung und die Griechenlandhilfe sogar ein Segen für die Liberalen. Sie werden die Partei auf Umwegen zum Kurswechsel zwingen. Denn nichts fürchtet die FDP mehr als den Vorwurf, eine Umfallerpartei zu sein. Aber wie viel Glaubwürdigkeit steht für die FDP tatsächlich auf dem Spiel?
Von Beginn an haben die Liberalen ihre Versprechen selbst nicht besonders ernst genommen, und ihr Glück ist, dass dies auch die Wähler nicht getan haben. Die Chance der FDP liegt darin, zur alten Rolle als Korrektiv zurückzukehren. Es ist eine Rolle, die nichts Ehrenrühriges hat. Allerdings darf die FDP nicht den Fehler machen, in Selbstmitleid zu verfallen. Nach dem Motto: Egal was wir tun, wir machen es ohnehin niemandem recht. Statt dessen muss die Partei jetzt Aufbauarbeit in der Regierung leisten. Auch daran kann man wachsen.
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