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Meinung: Zählt Datenschutz bei der S-Bahn mehr als Sicherheit?

„Fehlende Kameras: Senat droht S-Bahn“ vom 7. Oktober Wieder Übergriffe in S-Bahn - wieder ohne Bilder“ liest man und erfährt, die Gewerkschaft verhindere seit sechs Jahren auf den S-Bahn-Stationen die Installation von Videokameras.

„Fehlende Kameras: Senat droht S-Bahn“

vom 7. Oktober

Wieder Übergriffe in S-Bahn - wieder ohne Bilder“ liest man und erfährt, die Gewerkschaft verhindere seit sechs Jahren auf den S-Bahn-Stationen die Installation von Videokameras. „Der Betriebsrat fürchtet, die Fahrer seien dann in den Bahnhöfen einer lückenlosen Überwachung durch den Arbeitgeber ausgeliefert.“ Die Begründung liest sich wie ein Scherz. Sie ist aber offenbar ernst zu nehmen.

Nachts und frühmorgens werden Fahrgäste getreten, verprügelt, geschädigt und bestohlen, weil die S-Bahn-Führung in Verhandlungen mit ihrer Gewerkschaft das Problem unserer Sicherheit nicht gelöst bekommt. Beide Seiten verhalten sich in höchstem Maß geschäftsschädigend und zeigen, dass Versicherungen ihrer Kundenfreundlichkeit hohle, nichtssagende, zynische und arrogante Phrasen sind. Man kann nur hoffen, dass der Betriebsrat die Sicherheit tausender Kunden ernster nimmt und die Befürchtung ihrer Fahrer zu zerstreuen weiß.

Gerhard Hoffmann, Petershagen-Eggersdorf

Sehr geehrter Herr Hoffmann,

die Wut, die aus Ihren Worten spricht, kann ich gut nachvollziehen. Ich gebe Ihnen recht, dass unterschiedliche Auffassungen zwischen einer Unternehmensführung und seinem Betriebsrat nicht zu einer Gefährdung von Leib und Leben der Kunden führen dürfen. Um Ihnen jedoch eine nachvollziehbare Antwort geben zu können, scheint es mir wichtig, die Faktenlage zunächst noch einmal emotionsfrei aufzuschreiben.

Wir sind uns einig: Jeder körperliche Angriff auf einen Fahrgast im Öffentlichen Nahverkehr ist einer zu viel und auf das Schärfste zu verurteilen. Die amtliche Statistik spricht jedoch eine klare Sprache: Im Vergleich aller polizeilich registrierten Straftaten im Land Berlin werden weniger als ein Prozent der Körperverletzungen in Zügen und auf Bahnhöfen verübt. Das heißt, die Kriminalitätsquote ist verglichen mit dem sonstigen öffentlichen Raum extrem niedrig. Konkret gibt es rund 200 Gewalttaten jährlich. Und das, obwohl allein täglich rund 1,3 Millionen Fahrgäste mit unseren rot-gelben Zügen unterwegs sind. Ich finde diese Zahl durchaus sehr beeindruckend. Dass dies nicht allein dem Zufall geschuldet ist, hängt auch damit zusammen, dass die Deutsche Bahn im Großraum Berlin neben den Servicepersonalen rund 550 Sicherheitskräfte im Einsatz hat. Zahlreiche Studien belegen, dass der Einsatz von Sicherheitskräften vor Ort die beste und effektivste Art ist, potenzielle Gewalttäter abzuschrecken und das subjektive Sicherheitsgefühl unserer Fahrgäste zu erhöhen.

Welche Rolle kann die Videoüberwachung spielen? Sie kann Gewalttaten nicht verhindern, wie wir durch die erschreckenden Fälle der letzten Jahre im U-Bahn-Bereich lernen mussten. Sie kann allerdings bei der anschließenden Täterermittlung helfen und sollte aus meiner Sicht zur Ergänzung des Sicherheitskonzeptes punktuell angewandt werden. Dies ist insbesondere an Stellen sinnvoll, an denen die Überwachungstechnik ohnehin zur Verfügung steht und ohne großen Aufwand zur Aufzeichnung genutzt werden kann. Damit sind die Abfertigungskameras entlang der Bahnsteigkanten gemeint, die ab dem kommenden Jahr auf rund der Hälfte der S-Bahn-Stationen den erhöhten Standard für die Zugabfertigung durch den Triebfahrzeugführer ermöglicht. Ich kann die Bedenken des S-Bahn-Betriebsrats ebenso wenig wie Sie teilen. Zumal eine Auswertung der Aufzeichnungen entsprechend den Datenschutzbestimmungen selbstverständlich ohnehin nur durch die Ermittlungsbehörden vorgenommen würde und wir von Beginn an klargestellt haben, dass die Bilder zu Zwecken der Leistungskontrolle weder verwendet werden können noch sollen. Wir haben seit Projektbeginn versucht, mit unserem Betriebsrat eine Einigung zur Nutzung von Videokameras auf Bahngeländen zu Sicherheitszwecken zu erreichen. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht jedoch weitreichende Arbeitnehmermitbestimmungsrechte vor, mit denen uns an verschiedenen Stellen die Hände gebunden sind. Allerdings habe ich mit großer Freude die öffentliche Erklärung des Betriebsrates von dieser Woche gelesen, dass er einer Aufzeichnung nicht mehr im Wege stehen will. Somit bin ich guten Mutes, dass bei den zum Jahresende anstehenden endgültigen Gesprächen zur Einführung der Kameratechnik für die Selbstabfertigung der Triebfahrzeugführer dieser Punkt nicht mehr strittig sein sollte. Damit hätten wir dann noch rechtzeitig zur Inbetriebnahme der Technik deren Nutzbarkeit für die Aufzeichnung.

Abschließend liegt mir noch eines am Herzen: Sicherheit ist unser aller Thema. Jeder von uns trägt einen kleinen Teil der Verantwortung dafür, wie sicher wir uns im öffentlichen Raum bewegen können. Im Zeitalter des Mobiltelefons sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dieses auch zu nutzen und direkt Bundes- oder Landespolizei zu verständigen, wenn man Zeuge einer Straftat wird. In diesem Punkt würde ich mir ein ganzes Stück mehr Zivilcourage wünschen.

— Peter Buchner ist Vorsitzender der

Geschäftsführung der S-Bahn Berlin GmbH

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