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Frosch

© AFP

"Zuerst die Füße": "Einer von Euch, mit Euch, unter Euch"

Die Schwester des verstorbenen Künstlers Martin Kippenberger über dessen Frosch-Skulptur, die Konservative auf die Barrikaden treibt.

Skandal! Endlich! Immer wieder wird der zeitgenössischen Kunst vorgeworfen, dass sie zu müde sei, das Publikum zu abgestumpft. Und jetzt tobt seit Monaten ein Streit – über die Arbeit eines seit elf Jahren toten Künstlers. Seit der Eröffnung des neuen Museums für zeitgenössische Kunst in Bozen hängt der knallgrüne gekreuzigte Frosch („Zuerst die Füße“) von Martin Kippenberger dort an der Wand. Weg damit, schrien fromme Kritiker, ein konservativer Politiker trat in Hungerstreik, jetzt sprang ihm der Papst persönlich aus der Sommerfrische in Brixen zur Seite. Die „Bild“ berichtete.

Und mein Bruder Martin sitzt im Himmel, so hoffe ich, und freut sich kaputt. Das war es ja, was er wollte: schockieren, um der Wahrheit willen, mit Witz und Selbstironie. Kunst, fand er, sollte wehtun. Das Leben tat’s auch. Die gekreuzigte Comicfigur „Fred the Frog“ ist seine Antwort auf den Jesuskitsch, den er in Tirol antraf. Dort saßen die Säufer unter Jesus am Kreuz in der Kneipe. Jedes Jahr war Martin in Tirol in der Kur, vier Wochen ohne Alkohol, Ferien vom extremen Künstlerleben, nicht aber von der Kunst. Von einem Herrgottschnitzer ließ er eine ganze Serie von Fröschen anfertigen. Eine Provokation des Moralisten gegen Heuchelei und Frömmelei.

Der Glaube spielt eine fundamentale Rolle in Martins Leben, der Glaube an die Kunst, den Künstler, die Menschen. Der Glaube hat ihm die Kraft gegeben, zu arbeiten wie ein Besessener. „Wahrheit ist Arbeit“, hieß sein Glaubenssatz.

Das Höhere hat er als Künstler immer in den Niederungen des Alltags gefunden. Eine leidende Witzfigur hat Martin sich als Alter Ego ausgesucht, ein Frosch, vor dem sich alle ekeln, hinter dem aber auch ein Prinz stecken kann (man muss nur dran glauben). Ein Selbstportrait des Künstlers als Stellvertreter. „Ich bin göttlich“, hat Dali erklärt. Ich bin Mensch, hat Martin mit jeder Arbeit, jedem Auftritt verkündet. „Einer von Euch, mit Euch, unter Euch“, wie er eine Arbeit nannte. Aufregend, so erschien sein ausschweifendes Künstlerleben den Fans aus der Ferne. Er selbst hat es „wahnsinnig anstrengend“ genannt. Er könne sich nicht jeden Tag ein Ohr abschneiden, hat er einmal gesagt. An vielen hat er es doch getan. „Es klingt blöde“, hat sein Künstlerfreund Albert Oehlen erklärt, „aber irgendwie hat er sich für den Betrieb geopfert.“

Aus der (evangelischen) Kirche ist Martin übrigens nie ausgetreten. Es war der einzige Verein, dem er bis zu seinem frühen Lebensende angehörte. Susanne Kippenberger

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