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Politik: 22,5 Milliarden Mark Steuerentlastung für Ehepaare mit Kindern

KARLSRUHE/BONN (Tsp).Ehepaare mit Kindern werden künftig steuerlich erheblich besser gestellt.

KARLSRUHE/BONN (Tsp).Ehepaare mit Kindern werden künftig steuerlich erheblich besser gestellt.Nach einer am Dienstag veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird der Staat erstmals verpflichtet, die Erziehungsleistung in der Ehe finanziell anzukennen.Nach dem Beschluß muß der steuerliche Freibetrag etwa von Verheirateten mit einem Kind vom nächsten Jahr an in zwei Schritten um mehr als 9500 Mark im Jahr erhöht werden.Bislang hatten nur Alleinstehende, unverheiratete oder dauernd getrennt lebende Eltern diesen Steuervorteil.Dies wurde für verfassungswidrig erklärt.

Nach einer ersten Berechnung des Bundesfinanzministeriums werden die Karlsruher Entscheidungen zu Steuermindereinnahmen von 22,5 Milliarden Mark jährlich führen.Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts unter Vorsitz der Gerichtspräsidentin Jutta Limbach machte dem Gesetzgeber die Auflage, spätestens bis zum 1.Januar 2000 eine Neuregelung zur Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten zu treffen und spätestens bis 2002 den Haushaltsfreibetrag zu ändern.

In der Opposition sowie in der rot-grünen Regierungskoalition in Bonn wurde der Beschluß einhellig als Stärkung der Familie begrüßt.Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine (SPD) räumte ein, daß für die Steuermindereinnahmen erst einmal ein Ausgleich gefunden werden müsse.Grundsätzlich begrüßte er aber das Urteil.Es sei schon immer die Meinung der SPD gewesen, daß die Familien besser gefördert werden müßten, sagte er.Rezzo Schlauch, Fraktionsvorsitzender der Grünen, erklärte, der Richterspruch werde "eine Stange Geld kosten", es könne aber an anderer Stelle wie beim Ehegattensplitting gekürzt werden.Bundesfamilienministerin Christine Bergmann bezeichnete die Karlsruher Entscheidung als eine "schallende Ohrfeige für die alte Bundesregierung", da er schwere familienpolitische Versäumnisse der alten Koalition aufdecke.Unionsfraktionsvizechef Friedrich Merz forderte von der Regierung, sie solle ein den Anforderungen des Verfassungsgerichts entsprechendes steuerpolitisches Konzept vorlegen.

Bislang steht einem Ehepaar mit einem Kind nur ein Kinderfreibetrag von 6912 Mark jährlich zu.Sollte der Gesetzgeber bis zum Jahresende den Kinderfreibetrag nicht angehoben haben, erhöht sich der Kinderfreibetrag um 4000 Mark für das erste und um 2000 Mark für jedes weitere Kind.Auch die Erziehung muß nach der Entscheidung künftig zu Steuervergünstigungen führen.Hierzu gehöre - entgegen der jetzigen Gesetzeslage - auch die Mitgliedschaft der Kinder in Vereinen, der Umgang mit Computern, das Lernen von Fremdsprachen und die Freizeitgestaltung.Falls der Gesetzgeber hier nicht bis zum Jahr 2002 tätig geworden ist, erhöht sich der steuerfreie Teil des Einkommens um weitere 5616 Mark.Dies entspricht dem Haushaltsfreibetrag, der bisher zwar unverheirateten Eltern, nicht aber Ehepaaren mit Kindern zugestanden wird.

In drei weiteren Beschlüssen erklärte der Zweite Senat die in den Jahren 1985, 1987 und 1988 geltenden Kinderfreibeträge für zu niedrig und verfassungswidrig, weil sie unter dem steuerfreien Existenzminimum des Kindes gelegen hätten.

Mit der Entscheidung bekamen fünf verheiratete berufstätige Paare Recht, die bislang vergeblich Kinderbetreuungskosten für die Jahre 1983 bis 1987 steuerlich geltend gemacht hatten und an den Finanzgerichten ohne Erfolg geklagt hatten.

(Aktenzeichen: Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 10.November 2 BvR 1057/91 u.a.)

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