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Felix Banaszak und Katja Dörner bei Wahlkampf-Party der Grünen in Bonn. Die Grünen haben in NRW insgesamt drastisch verloren.

© IMAGO/Dominik Bund/IMAGO/Dominik Bund

AfD punktet im Pott, Grüner Sieg in Köln : Durch Nordrhein-Westfalen zieht sich ein tiefer Graben

Die AfD hat bei den NRW-Kommunalwahlen kräftig zugelegt, vor allem im Ruhrgebiet. Während die Grünen landesweit krass verlieren, siegen ihre OB-Kandidaten in Köln und Münster.

Daniel Friedrich Sturm
Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

Stand:

Viel symbolträchtiger kann es kaum sein: Die Wählerinnen und Wähler in NRW haben die Grünen abgestraft, und an ihrer Stelle die AfD zur landesweit drittstärksten Partei gemacht. NRW erlebte am Sonntag nichts weniger als einen Rechtsruck.

Das Argument, die AfD habe doch „nur“ 16 Prozent geholt, ist naiv. Die Rechtsradikalen gewannen jeden sechsten Wähler ohne markante Kandidaten, ohne in einzelnen Gemeinden überhaupt angetreten zu sein oder einen Wahlkampf geführt zu haben.

Während sich die CDU, weitgehend stabil, als letzte Volkspartei an Rhein und Ruhr erweist, sollte die SPD ihre landesweit relativ geringen Stimmenverlusten nicht schönreden. Die einst stolze NRW-SPD fuhr schon bei den letzten Kommunalwahlen ein historisches Rekordtief ein; dieses hat sie nun abermals unterboten. Dass die „Herzkammer der SPD“, das Ruhrgebiet, schon weit vor dem 14. September 2025 zu schlagen aufgehört hat, ist dabei nur ein schwacher Trost.

So stabil das Abschneiden von Christ- und Sozialdemokraten im landesweiten Ergebnis erscheint, so lohnt ein Blick auf die teils disruptiven Veränderungen in einzelnen Städten. Dort, vor allem in einigen Städten des Ruhrgebietes, ist es der AfD gelungen, die einst dominierende SPD zu deklassieren oder ihr zumindest gefährlich nahezukommen.

Die SPD sollte sich sehr genau ansehen, wie ihre Politik in jenen Gegenden ankommt, in denen sich – wie etwa in Gelsenkirchen oder Hagen – die Probleme ballen und sich viele Menschen abgehängt fühlen. War die Sozialdemokratie nicht einmal „Schutzmacht der kleinen Leute“ und gerade deshalb im Ruhrgebiet erfolgreich? Heute scheint sie die Alltagssorgen dieser Menschen nicht mehr anzusprechen.

Wahlkämpfer der SPD haben in den vergangenen Wochen berichtet, viele Bürger wollten keine Antworten mehr bekommen. „Ich wähle AfD“ – dieses Bekenntnis hörten viele Kommunalpolitiker, nicht nur der SPD. Das Votum für die AfD darf als Signal an die Bundesregierung verstanden werden, als ein wütender Ausdruck des Wunsches, dass „die da oben“ etwas ändern. Das gilt vor allem für Migrationspolitik und innere Sicherheit, für die die Kommunen indes keinerlei Verantwortung tragen.

Auf den ersten Blick paradox erscheinen die Aussicht der Grünen, trotz ihrer landesweit krassen Verluste künftig womöglich weitere Oberbürgermeister-Posten zu gewinnen. Das gilt vor allem für den Erfolg ihrer OB-Kandidaten in Köln, mit gut einer Million Einwohner größten Stadt in NRW, sowie in der Studenten- und Beamtenstadt Münster.

Hier zeigt sich ein tiefer Graben im 18-Millionen-Einwohner Land NRW: zwischen liberal-ökologisch, akademisch geprägten Städten sowie jenen (vormals) industriellen Ruhrgebiets-Kommunen, in denen Überfremdungs- und Abstiegsängste dominieren.

Nach den Stichwahlen um die OB-Ämter am 28. September könnten die Grünen also künftig weitere Stadtoberhäupter stellen. Die AfD-Kandidaten werden in zwei Wochen kaum reüssieren, da sich doch die lokalen Parteien der Mitte hier wechselseitig unterstützen werden. Dass es der AfD aber gelungen ist, überhaupt in diese Stichwahlen zu ziehen, ist ein Erfolg, den die Mitte-Parteien nicht kleinreden, sondern als Warnsignal ernst nehmen sollten.

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