
© dpa/Bernd von Jutrczenka
AfD und Union im Politbarometer erstmals gleichauf: Immer weniger sehen die Rechten nur als reine Protestpartei
Die Zahl derer, die die politischen Inhalte der AfD als wichtigstes Wahlmotiv sehen, ist deutlich gewachsen. Die Streitkultur in Deutschland betrachtet eine große Mehrheit mit Sorge.
Stand:
Die politische Streitkultur ist nicht zuletzt durch die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus stark in den Fokus gerückt. Die USA kommen auch mehr als eine Woche nach dem Mord an dem Unterstützer des republikanischen Präsidenten Charlie Kirk nicht zu Ruhe. Angriffe gegen Politiker und politische Akteure sind auch in Deutschland in den vergangenen Jahren auf allen Ebenen gestiegen, die Zahl der politisch motivierten Straftaten nimmt ebenfalls weiter zu.
Und die Bürgerinnen und Bürger befürchten, dass die Streitkultur in Deutschland sich weiter aufheizt und verroht, wie das neue Politbarometer von ZDF und Tagesspiegel zeigt. Eine deutliche Mehrheit von 75 Prozent geht davon aus, dass Gewalt gegenüber politischen Akteuren in Zukunft noch zunehmen wird. Am ausgeprägtesten ist diese Einschätzung bei Sympathisanten der in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD, die in dieser Umfrage in der Sonntagsfrage erstmals mit der Union gleichzieht – auf 26 Prozent.
Unter den Wählern der Rechten gehen 81 Prozent davon aus, dass die Gewalt gegen politische Akteure in den nächsten Jahren steigen wird. Auf Platz zwei folgen die Linken-Wähler (79 Prozent) vor den Grünen-Anhängern (78).
Blick auf AfD verändert sich
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, warum die AfD – gerade bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen verbuchte sie wieder Zuwächse – gewählt wird. Für eine Mehrheit von 60 Prozent gelten die Rechten um die Parteiführung Alice Weidel und Tino Chrupalla noch immer als Protestpartei. Sie werde also gewählt, um den anderen Parteien einen Denkzettel zu verpassen, analysieren die Autoren der Umfrage.
Aber die Bewertung hat sich deutlich verschoben: Im Oktober 2023 schätzten noch erheblich mehr (72 Prozent) den Protest als Wahlmotiv ein. Heute geht mehr als ein Drittel der Befragten davon aus, dass wegen politischer Inhalte für die AfD gestimmt wird (hier gibt es eine Zunahme von elf Prozentpunkten). Auch unter den AfD-Anhängern stieg die Zahl derer deutlich auf 65 Prozent (+17 Prozentpunkte), die das politische Programm als Grund für die Wahl der AfD sehen.
Wo verlaufen künftig nach Ansicht der Wählerinnen und Wähler die politischen Konfliktlinien? Für fast 90 Prozent ist klar: zwischen Rechten und Linken. Dahinter werden mit 73 Prozent die Differenzen zwischen Arm und Reich genannt. Es folgt das Thema Deutsche/Ausländer mit 67 Prozent. Und immerhin 56 Prozent glauben, dass die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen die Lage verschärfen wird.
CDU/CSU und SPD im Politbarometer ohne Mehrheit
Kanzler Friedrich Merz (CDU) war mit seiner schwarz-roten Regierung angetreten, um gegen die Spaltung der Gesellschaft anzukämpfen und durch inhaltliche Auseinandersetzung von der AfD Wählerinnen und Wähler zu gewinnen.
Eine Mehrheit hätten CDU/CSU und SPD derzeit aber nicht, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre:
BSW und FDP wären nach wie vor nicht im Parlament vertreten.
In einer Umfrage des Instituts YouGov hatte die AfD die Union in dieser Woche zum ersten Mal in einer Erhebung dieses Institutes überholt. In Umfragen weiterer Institute lagen die Rechten zuletzt gleichauf, dicht hinter oder ebenfalls sogar knapp vor der Union.
Rund drei Viertel der Anhänger von CDU und CSU finden es dem Politbarometer zufolge richtig, dass die Partei eine Zusammenarbeit mit der AfD grundsätzlich ablehnt. Eine ebenfalls deutliche Mehrheit geht auch davon aus, dass das so bleibt. Dass die Politik mit einer Regierungsbeteiligung der AfD besser würde, daran glauben übrigens etwas mehr als 20 Prozent der Deutschen.
Das Bild unterscheidet sich jedoch stark zwischen Ost und West. In Ostdeutschland gehen 30 Prozent davon aus, dass die Politik mit der AfD in einer Regierung besser würde (42 Prozent schlechter). Im Westen der Republik glauben dies 19 Prozent (64 Prozent schlechter).
Wahlumfragen sind generell immer mit Unsicherheiten behaftet. Unter anderem erschweren nachlassende Parteibindungen und immer kurzfristigere Wahlentscheidungen den Meinungsforschungsinstituten die Gewichtung der erhobenen Daten.
Grundsätzlich spiegeln Umfragen nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider und sind keine Prognosen für den Wahlausgang.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: