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Politik: Am Helfen gehindert

Ein Berliner Arzt war bei den Protesten zum G-8-Gipfel im Einsatz – und wurde verhaftet

Berlin - Michael Kronawitter wusste nicht, wie ihm geschah. Der Berliner Arzt war vergangenen Mittwoch während eines Einsatzes beim G-8-Gipfel in Heiligendamm zu einem Patienten mit Atemnot gerufen worden. Helfen konnte er in diesem Fall allerdings nicht: Der 38-Jährige wurde vorher von Polizisten festgenommen. Dabei hatte der Berliner während der Protesttage an der Ostsee eine orangefarbene Warnweste an und war somit als Arzt erkennbar.

Die Organisatoren der Proteste hatten den Fachmann im Vorfeld gebeten, sich um Verletzte zu kümmern. Die Beamten hätten ihm hingegen gesagt, er sei ein bekannter Störer. Von der Staatsanwaltschaft heißt es, gegen Kronawitter werde im Zusammenhang mit den Demonstrationen gegen den G-8-Gipfel wegen Landfriedensbruch ermittelt.

Jahrelang hat Kronawitter die traditionelle 1.-Mai-Demonstration durch Berlin-Kreuzberg mitorganisiert. Immer wieder gab es Streit mit der Polizei. Mehrfach wurde Kronawitter nach Demonstrationen angezeigt. Zuletzt kandidierte er für die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen. „Ich bin Arzt und links“, sagt er.

Nun glaubt Kronawitter, dass Zivilpolizisten der Berliner Sondereinheit „Politisch motivierte Straßengewalt“ in Heiligendamm gezielt nach bekannten Linken gesucht hätten. Schon bevor er an einer Straßensperre zwischen Bad Doberan und Adamshagen festgenommen worden sei, sei er über Stunden von zivilen Beamten aus Berlin observiert worden, sagt Kronawitter. Als möglicher Störer sei er dann Mittwochmittag in Gewahrsam genommen worden.

Insgesamt 38 Stunden hat der Arzt in einem der umstrittenen Gefangenenkäfige in Rostock verbracht. „Die Käfige waren nur etwa fünf mal fünf Meter groß“, sagt Kronawitter. In einigen der Zellen seien bis zu 20 Menschen festgehalten worden. Ein Polizeibeamter habe die Gefangenen die ganze Zeit mit einer Kamera gefilmt. Auch nachts habe das Neonlicht gebrannt. Kronawitter spricht von „Schlafentzug“. Solche Zustände habe er in Deutschland für unvorstellbar gehalten. „Für dieses Vorgehen gibt es keinerlei Rechtsgrundlage“, sagte Undine Weyers vom anwaltlichen Notdienst, der den Gipfelgegnern mit rechtlicher Hilfe zur Seite stand.

Heftig kritisiert auch die Ärztekammer Berlin die Ingewahrsamnahme des Mediziners beim Einsatz. „Ärzte dürfen auch bei Demonstrationen nicht daran gehindert werden, Patienten zu versorgen“, sagte Kammerpräsident Günther Jonitz. Kronawitter will rechtlich gegen die Behörden vorgehen. Er sei bei seiner Berufsausübung behindert worden. Außerdem hätten falsche Verdächtigungen der Polizei zu seiner Festnahme geführt.

Die Rechtsanwälte vieler festgenommener G-8-Gegner erstatteten nun gemeinsam Anzeige gegen die verantwortlichen Richter: Sie hätten die Käfige vor den Protesten inspiziert und die Betroffenen unter „menschenunwürdigen Umständen“ in Haft gelassen.

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