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Ein Soldat steht an einer Straße in Jemens Hauptstadt Sanaa.

© dpa

Terrorwarnung: Angst vor Anschlägen und Drohnenkrieg im Jemen

Die USA warnen vor Terroranschlägen im Jemen und raten ihren Bürgern, das Land zu verlassen. Die Stimmung der Bevölkerung ist angespannt - auch weil die USA im Jemen verstärkt mit Drohnenangriffen gegen Al Qaida vorgehen.

„Das Ausmaß der Bedrohung ist extrem hoch“, durch den gesamten Nahen Osten hallte am Dienstag die amerikanische Terrorwarnung für den Jemen. Alle US-Bürger wurden aufgefordert, das Land an der Südspitze der Arabischen Halbinsel „sofort zu verlassen“. Das Weiße Haus befürchtet nicht nur neue Anschläge, wie es in der Begründung hieß, sondern auch den Zorn der Bevölkerung, seit am Morgen vier weitere mutmaßliche Al-Qaida-Leute durch eine Drohnenrakete in der Provinz Marib getötet worden waren. Allein in der letzten Woche kamen bei vier Angriffen, die alle von Saudi-Arabien aus geflogen wurden, 17 Menschen ums Leben, die meisten Terrorverdächtige, aber auch fünf Zivilisten und ein Kind. Und so heizt das blutige Agieren der US-Streitkräfte an Jemens Himmel nicht nur den Rachedurst der Gotteskrieger an, sondern treibt auch die Einheimischen immer mehr auf die Barrikaden.

Gleichzeitig enthüllten amerikanische Medien, dass die spektakuläre Schließung von zwei Dutzend US-Botschaften in der arabischen und muslimischen Welt ausgelöst wurde durch ein abgehörtes Gespräch zwischen Osama bin Ladens Nachfolger Ayman al Sawahiri und Jemens Al-Qaida-Chef Nasser al Wuhayshi. Der 36-Jährige war Osama bin Ladens Privatsekretär, gilt heute als das operative Hirn der gesamten Terrororganisation.

„Tu etwas“, soll al Sawahiri den Jemeniten aufgefordert und verlangt haben, so schnell wie möglich mit Attentaten zu beginnen, ohne jedoch konkrete Ziele zu nennen. Nach Angaben von US-Zeitungen befürchtet das Weiße Haus, Al Qaida könnte Selbstmordattentäter losschicken, die sich Bomben in ihre Körper haben hineinoperieren lassen. Bisher gab es erst einen Anschlag dieser Art, im August 2009 auf den damaligen saudischen Vize-Innenminister Muhammed bin Nayef, der dabei leicht an der Hand verletzt wurde. Der Täter aus dem Jemen trug die Bombe in seinem Hintern versteckt und konnte so alle Sicherheitsschleusen unentdeckt passieren. Angesichts solcher Gefahren sollen die US-Botschaften in der Region wohl nicht nur bis Ende der Woche, sondern wahrscheinlich bis Ende August geschlossen bleiben. Die Deutschen gaben bekannt, ihre diplomatische Mission im Jemen stelle ebenfalls bis auf weiteres die Arbeit ein. Die Briten flogen ihr gesamtes diplomatisches Personal außer Landes und warnten alle durch den Golf von Aden fahrenden Schiffe vor „außerordentlichen Gefahren“.

Der gefährlichste Zweig von Al Qaida

Denn Al Qaida in Jemen gilt heute als die gefährlichste Filiale in dem globalen Terrornetzwerk. Auf ihr Konto geht 2009 der Attentatsversuch des so genannten Unterhosenbombers beim Anflug auf Detroit. Ein Jahr später wurden Sprengsätze in zwei Frachtflugzeugen entdeckt, die in Laserdruckern versteckt waren. Unter der Führung des charismatischen Nasser al Wuhayshi, der 2006 bei einem Massenausbruch von Al-Qaida-Häftlingen in Sanaa freikam, eroberten die Gotteskrieger zwischenzeitlich sogar mehrere Landstriche entlang der Küste, aus denen sie die Armee erst vor wenigen Monaten unter hohen Verlusten wieder vertreiben konnte. Zurück blieben zerstörte Städte und Dörfer, verwüstete und verminte Felder sowie zehntausende Obdachlose.

Denn anders als Vorgänger Ali Abdullah Saleh setzt Präsident Abdu Rabu Mansour Hadi gegen die Extremisten auf bedingungslose Härte. Verhandelt wird nur in absoluten Ausnahmefällen, bei den Drohnen gab er der US-Armee freie Hand. Und so verdreifachte sich im letzten Jahr die Zahl der ferngesteuerten Raketenangriffe und lag mit 42 erstmals gleichauf mit Pakistan. 2013 sieht das Bild ähnlich aus – 18 Einsätze in Pakistan, 16 im Jemen.

Trotzdem sind die Gotteskämpfer alles andere als besiegt – im Gegenteil. „Die Bedrohung ist eher größer geworden, weil Al Qaida sich in viele Provinzen zerstreut hat“, erläutert Mohammed Saif Haidar vom „Sheba Zentrum für Strategische Studien“, der zu den besten Kennern der Lage gehört. Nach dem Verlust ihrer Mini-Emirate im Süden verlagerten die Terrorstrategen ihren Schwerpunkt nach Norden. Inzwischen haben sie sich auch in Al Bayda und Radaa festgesetzt, sind bis auf 150 Kilometer an die jemenitische Hauptstadt herangerückt – näher als jemals zuvor. Seitdem sickern ihre Kommandos in die Hauptstadt ein und können dort jederzeit Präsidentenpalast oder ausländische Botschaften, Niederlassungen von ausländischen Firmen, Krankenhäuser oder Hotels angreifen. „Der heutige Kampf ist viel großflächiger geworden als vor einem Jahr“, urteilt Al-Qaida-Experte Haidar. „Und das, obwohl die Armee mit allen Mitteln versucht hat, die Gefahr zu stoppen.“

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