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Frankreich: Arbeitsmarktdaten frisiert?

In Frankreich sind der Opposition die unerwartet niedrigen Arbeitslosenzahlen kurz vor der Präsidentschaftswahl suspekt. Auch die europäische Statistikbehörde Eurostat zweifelt an den Regierungsangaben.

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Paris/Brüssel - Drei Wochen vor den Präsidentschaftswahlen ist in Frankreich ein Streit um die von der Regierung gelieferten Zahlen zur Arbeitslosigkeit entbrannt. Die Opposition zweifelte offen an der Angabe der Regierung, die Arbeitslosenquote sei im Februar auf den tiefsten Stand seit 24 Jahren gefallen. Rückenwind bekamen die Zweifler von der europäischen Statistikbehörde Eurostat, die für Februar und die vorangegangenen Monate eine deutliche höhere Rate als Paris berechnete. Sie nutzte dazu Daten, deren Veröffentlichung in Frankreich jüngst von der nationalen Statistikbehörde Insee überraschend auf die Zeit nach den Wahlen verschoben worden war.

Der liberale Präsidentschaftskandidat François Bayrou sagte, es gebe "schwerwiegende Unterschiede zwischen den offiziellen und den wirklichen Arbeitslosenzahlen". Die Sozialisten erklärten, die von der Regierung behauptete Senkung der Arbeitslosenzahlen in den vergangenen Jahren sei "nicht bewiesen". Die trotzkistische Präsidentschaftskandidatin Arlette Laguiller warf Paris vor, die Zahlen zu manipulieren. "Wer glaubt diesen Quatsch?", sagte sie. Frankreich zähle "mindestens drei Millionen Arbeitslose". Die Kommunistische Partei PCF bezeichnete Arbeitsminister Jean-Louis Borloo als "großen Taschenspieler".

Angeblich nur 2,06 Millionen ohne Arbeit

Das Arbeitsministerium hatte am Donnerstagabend mitgeteilt, die Zahl der Arbeitslosen sei im Februar um 19.900 auf 2,06 Millionen gesunken. Die Erwerbslosenquote gab das Ressort mit 8,4 Prozent an nach 8,6 Prozent im Januar. "Es handelt sich um die niedrigste Rate seit dem Juni 1983", erklärte Borloo, der jüngst im Wahlkampf seine Unterstützung für den konservativen Ex-Innenminister Nicolas Sarkozy erklärte hatte.

Eurostat berechnete dagegen eine Arbeitslosenquote von 8,8 Prozent für Februar. Für Januar lag die Eurostat-Zahl 0,3 Prozentpunkte höher als von Paris berechnet. Für 2006 korrigierte die EU-Behörde ihre bisherige Zahl von neun auf 9,4 Prozent. Seit Mai 2006 seien die monatlichen Arbeitslosenzahlen nun durchgängig um 0,4 bis 0,5 Punkte angehoben worden, sagte Eurostat-Sprecher Philippe Bautier. "Dabei haben wir Untersuchungen über die Beschäftigung von Insee für das dritte und vierte Quartal 2006 benutzt".

Borloo: Zahlen sind "vorläufig"

Diese Daten veröffentlicht Insee in Frankreich üblicherweise im März, hatte dies aber kurzfristig wegen "Unsicherheiten" und "Ungereimtheiten" auf den Herbst verschoben. Jüngst hatte die Behörde in ihrem Konjunkturbericht aber dann bezweifelt, ob es 2006 tatsächlich eine Senkung der Arbeitslosigkeit gegeben habe - jedenfalls sei "seine genaue Höhe unsicher". Borloo lies zu den Eurostat-Zahlen erklären, die an Brüssel gelieferten Insee-Daten seien "vorläufig".

Die Franzosen wählen Ende April und Anfang Mai einen neuen Staatschef und im Juni ein neues Parlament; Beschäftigung zählt einmal mehr zu den wichtigsten Themen im Wahlkampf. (tso/dpa)

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