
Schäuble gegen Steinmeier: Ärger um Aufnahme von Guantanámo-Gefangenen
Die Pläne, das Gefangenenlager Guantánamo zu schließen, führen in Deutschland zu Diskussionen. Innenminister Schäuble lehnt es ab, einzelnen Häftlingen Asyl zu gewähren - und erntet damit heftige Kritik.
Nicht nur die Bundesregierung ging auf Distanz zu Wolfgang Schäubles ablehnender Haltung zur Aufnahme einzelner Gefangener aus dem US-Lager Guantánamo. Es gebe in dieser Frage noch keine endgültige Entscheidung, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg am Freitag in Berlin. Jeder Minister, der sich jetzt bereits festlege, müsse damit rechnen, "dass er sich eines Tages revidieren muss", fügte Steg hinzu. Auf jeden Fall sei es für eine solche Entscheidung heute noch viel zu früh. Erst einmal müsse das weitere Vorgehen der US-Administration bei der Schließung des Lagers auf Kuba abgewartet werden.
Sollte sich herausstellen, dass es dort Unschuldige gebe, die nicht in ihr Heimatland zurückkehren könnten und nicht in den USA bleiben wollten, müsse darüber nachgedacht werden, was mit ihnen passieren solle. Auf jeden Fall werde Deutschland schnell entscheiden, sobald sich die Frage konkret stelle, sagte Steg.
Keine Belehrung von Steinmeier
Schäuble hatte am Donnerstag nach einem Treffen mit EU-Amtskollegen in Prag die Übernahme von freigelassenen Guantanàmo-Gefangenen, die ohne Bezug zu Deutschland seien, ausdrücklich abgelehnt. Indirekt hatte Schäuble Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) wegen dessen Ankündigung kritisiert, eine mögliche Aufnahme von einzelnen Häftlingen in Deutschland zu prüfen. Er und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) brauchten "von manchen Beteiligten" keine Belehrung, hatte Schäuble von Prag aus an die Adresse des Außenministers erklärt.
Eine Sprecherin von Schäuble verwies am Freitag in Berlin darauf, dass die Innenminister von Bund und Ländern für die Aufnahme von Ausländern zuständig seien. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes wollen sich die EU-Außenminister Ende Januar mit der Frage befassen.
Kritik von Murat Kurnaz
Auch der ehemalige Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz kritisierte Schäubles Weigerung. Man müsse den Amerikanern helfen, das Lager aufzulösen, sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Es gebe dort drei Häftlinge, die vorher in Deutschland gelebt hätten. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz warf Schäuble parteipolitische Instrumentalisierung gegen Steinmeier vor. Aus humanitären Gründen müsse auch Deutschland in der Lage sein, einige wenige Menschen aufzunehmen, sagte er dem Blatt.
Anders als Schäuble hatte sich der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU), für eine Aufnahme ausgesprochen. Nach seiner Ansicht sollte Deutschland bereit sein, in dem Lager einsitzende Uiguren, die nicht nach China zurückehren können, zu übernehmen. Auch die Grünen und Amnesty International hatten dafür plädiert. (mpr/dpa)