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Wie weiter mit der Kohle? Das betrifft auch das Kohlekraftwerk Jänschwalde des Energie-Konzerns Vattenfall Europe.

© DPA

Geheime BDI-Studie: Auch Industrie erwartet Wachstum durch Klimaschutz

Normalerweise betont die Industrie die Risiken der Klimapolitik. Jetzt kommt eine eigene Studie zu ganz anderen Ergebnissen. Das kann auch Auswirkungen auf die Jamaika-Sondierungen haben.

Von Jakob Schlandt

Die deutsche Industrie erwartet, dass die Energiewende und ein entschlossener Klimaschutz die Wirtschaft nicht schwächen, sondern sogar leicht stärken. Laut einer unveröffentlichten Studie des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) wird die Einhaltung der internationalen und deutschen Klimaschutzziele in allen gerechneten Szenarien für ein höheres Bruttoinlandsprodukt sorgen. Im Jahr 2050 werde die Wirtschaftsleistung im Vergleich zu einem Referenzszenario ohne ambitionierten Klimaschutz um 0,4 bis 0,9 Prozent höher liegen. Bis dahin sollen die Treibhausgasemissionen um 80 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden. Bei einer Absenkung um 95 Prozent liege das BIP ebenfalls um 0,9 Prozent höher, sofern global Klimaschutz betrieben wird. Dies geht aus den „Kernergebnissen“ der Studie hervor, die dem Tagesspiegel vorliegen.

Die Untersuchung der Beratungsunternehmen Boston Consulting und Prognos ist die größte je erstellte Energiewende-Studie der deutschen Industrie. Die Berechnungen unterstellen gewaltige Mehrkosten für die Energiewende: Sie reichen von 1500 bis 2300 Milliarden Euro bis 2050. Doch dem gegenüber stehen riesige Wertschöpfungszuwächse in Deutschland, weil zum Beispiel Kaufkraft kaum noch in die Ölförderländer abfließt.

Bereits das 80-Prozent-Szenario sieht erhebliche Umbauten der Infrastruktur bis 2050 vor. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung steige auf 90 Prozent, Kohleverstromung laufe aus. 26 Millionen Pkw würden elektrisch betrieben. Im 95-Prozent-Szenario liegt der Ökostrom-Anteil bei 100 Prozent.

Studie könnte Einfluss auf Jamaika-Verhandlungen haben

Die Studie könnte mitten in den Sondierungen für eine Jamaika-Koalition Sprengkraft entfalten, denn Union und FDP warnen davor, mit einer zu schnellen Energiewende die Wirtschaft zu schwächen, während die Grünen auf die Einhaltung der Klimaziele dringen. Bislang waren aus der Studie nur Kostenschätzungen an die Öffentlichkeit gedrungen, nicht aber der positive Wachstumseffekt. Dies hatte beteiligte Unternehmen dazu bewogen, die Ergebnisse weiterzugeben.

Offiziell ist die Vorstellung der Studie für den Januar 2018 geplant. Während die Berechnungen abgeschlossen sind, muss der BDI noch die Ansichten von mehr als 30 Fachverbänden unter einen Hut bekommen. „Ziel ist es, aus den Berechnungen Handlungsempfehlungen für die Politik abzuleiten“, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Dies dauere noch an.

Grüne: Studie widerlegt bisherige BDI-Positionen

Die Grünen begrüßten die Studienergebnisse als Impuls für die Koalitionsverhandlungen. Bundestags-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte dem Tagesspiegel, der BDI mache seit Jahren Stimmung gegen Klimaschutz und Energiewende. Nun bestätige eine selbst in Auftrag gegebene Studie genau das, was der Verband immer abgestritten habe: dass die deutsche Wirtschaft und viele Unternehmen vom Klimaschutz profitierten. „Ganz offensichtlich sitzen manche da ganz tief im ideologischen Schützengraben. Es wird höchste Zeit, dass sie da rauskommen und nicht weiter die Stichwortgeber für die rückwärtsgewandte Kohlefraktion in der Politik spielen.“ Das, so Krischer, würde wahrscheinlich auch die Bildung einer Bundesregierung erleichtern.

Der BDI betont zwar die Wachstums- und Exportchancen durch die Energiewende, stellt aber häufig Schwierigkeiten in den Vordergrund, insbesondere steigende Energiekosten für die Industrie.

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