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Politik: „Auf diese Tragödie wäre keiner vorbereitet“

Der frühere UN-Koordinator für den Irak warnt vor den Folgen eines Kriegs – und fordert eine internationale Truppe

Berlin/Genf. Der frühere Leiter des Programms „Öl für Lebensmittel“ im Irak, Hans Graf von Sponeck, warnt im Fall eines Krieges vor einer humanitären Katastrophe. „Das wird eine enorme Tragödie, auf die die internationale Gemeinschaft nicht im geringsten vorbereitet ist“, sagte der ehemalige deutsche Diplomat dem Tagesspiegel. Von Sponeck kritisierte die Haltung der US-Regierung scharf, äußerte aber trotz der zugespitzten Situation am Golf die Hoffnung auf eine friedliche Lösung. „Es gibt eine sehr kleine Chance, dass nach dem späten politischen Erwachen in Europa eine militärische Aktion zumindest verschoben und so mehr Zeit für Verhandlungen gewonnen wird.“ Wichtig sei dabei auch der 15. Februar. „Die weltweiten Demonstrationen werden den USA und Großbritannien zeigen, wie groß der Widerstand gegen den Krieg ist.“

Nach zwölf Jahren Embargo durch die UN sei der Irak in einer erbärmlichen Verfassung. Auch ohne weitere Angriffe könne die Infrastruktur nur notdürftig aufrechterhalten werden. „Die Bevölkerung ist verarmt, und viele sind auch psychisch gestört“, sagte von Sponeck, der am 3. Februar von Gesprächen mit der irakischen Regierung aus Bagdad zurückgekehrt war. Die zentrale Grundversorgung mit Lebensmitteln sei zwar noch gewährleistet. Aber dies werde sich im Falle eines Krieges sehr schnell ändern. „Schon allein, weil die Lebensmittel dann kaum noch transportiert werden können“, sagte von Sponeck, der das UN-Hilfsprogramm von 1998 an knapp zwei Jahre leitete. Im Februar 2000 trat er zurück, weil er die Aushungerung und Verelendung der Bevölkerung nicht länger mittragen wollte.

Am Mittwoch hatte der für humanitäre Hilfe zuständige dänische EU-Kommissar Poul Nielson erstmals bestätigt, dass die EU-Kommission an Plänen für humanitäre Soforthilfe im Fall eines Irak-Kriegs arbeitet. „Wir prüfen, was wir an Notmaßnahmen ergreifen können“, sagte Nielson vor dem Europäischen Parlament in Brüssel. Das EU-Amt für humanitäre Hilfe „Echo“ arbeite mit anderen Nichtregierungsorganisationen und UN-Agenturen zusammen, außerdem mit dem Roten Kreuz und dem Roten Halbmond. Bei der Diskussion im Parlament hatten mehrere Politiker darauf hingewiesen, dass die Sterberate von Kindern bereits rasant steige. Die Haushaltskommissarin der EU, Michaele Schreyer, sagte, die Union könne für die humanitäre Nothilfe knapp 242 Millionen Euro bereitstellen, betonte aber, es gebe keine fertigen Pläne für den Irak.

Von Sponeck, der 30 Jahre im Dienst der UN stand, warf der US-Regierung vor, den Sicherheitsrat zu missbrauchen. „Die Resolutionen sind schwammig formuliert, und die Beweislage der Amerikaner ist überaus schwach. Und die Iraker haben gezeigt, dass sie kooperieren wollen.“ Zudem beeinflusse Washington die Waffeninspekteure. „Es kann nicht sein, dass die Sicherheitsberaterin des US-Präsidenten Hans Blix und Mohammed al Baradei auffordert, hart zu bleiben. Das sind internationale Beamte, die nur dem UN-Generalsekretär unterstehen.“ Washington hatte einen Überraschungsbesuch von Condoleezza Rice bei Blix am Donnerstag bestätigt.

Statt einen Krieg zu führen, der unvermeidlich eine furchtbar hohe Zahl an Opfern fordern würde, müsse eine internationale Truppe aufgebaut werden, die streng die Einhaltung der UN-Resolution 1441 kontrolliere, sagte von Sponeck. Gleichzeitig müsse sichergestellt werden, dass die Regierung des Irak die Menschenrechte einhalte. Er bestätigte, dass auf internationaler Ebene an einer Friedensinitiative gearbeitet werde. Ihr solle eine weltbekannte Persönlichkeit als Vermittler vorstehen. „Die Gespräche sind auf einem guten Weg. Die Person ist bereit, diese Aufgabe zu übernehmen.“ Der irakische Vizepremier Tarik Asis habe ihm bei seinen Gesprächen gesagt, Bagdad sei offen für eine solche Mission. „Aber das reicht natürlich nicht. Das Regime muss weiter Zeichen setzen.“

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