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Sabine Kunst spricht am 19.01.2016 in der Humboldt Universität in Berlin. Das Konzil der Humboldt Universität wählte Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (SPD) als Nachfolgerin des bisherigen Präsidenten Olbertz.

© dpa

Sabine Kunst als Präsidentin der Humboldt-Universität: Auf ins Dschungelcamp der Wissenschaften

Morastige Gremien scheinen jeden Präsidenten der HU zu verschlingen. Aber Sabine Kunst glaubt die Mär von der unregierbaren Uni nicht. Deshalb ist sie die Richtige. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anja Kühne

Ist die designierte Präsidentin der Humboldt-Universität eine Masochistin? Ganz bequem hätte Sabine Kunst als Ministerin im eher beschaulichen Brandenburger Wissenschaftsbetrieb mit dem Ende der Legislaturperiode das Pensionsalter erreichen können. Stattdessen will sie an die HU. Also ins Dschungelcamp der Wissenschaften, folgt man dem Image, das der HU zuletzt anhaftete.

An der HU scheinen hinter jeder Ecke Zumutungen zu lauern, scheinen die morastigen Gremien noch jeden vielversprechenden Präsidenten verschlungen zu haben. Der Amtsinhaber Jan-Hendrik Olbertz steigt aus, weil er die Uni für unregierbar hält. Der nach qualvoller Präsidentensuche endlich gefundene Kandidat, der angesehene Würzburger Mediziner Martin Lohse, springt im letzten Moment ab, als er die Lage erfasst. Wie Olbertz könne er sich nicht vorstellen, eine Uni zu leiten, die Verantwortung für Finanzen und Personal auf die Vizepräsidenten verteilt, hat Lohse erklärt. Für den Überblick brauche es einen Kanzler. Über den Kanzler diskutiert die HU seit Langem. Doch die Basis will ihn momentan mehrheitlich nicht. Also steht die stolze Mutter der modernen Universität als reformunwillige Gremienklitsche da.

Indes, Sabine Kunst glaubt die Mär von der unregierbaren HU nicht – schon daran zeigt sich, dass sie für die HU die Richtige ist. Ums Regieren geht es bei Unis gar nicht, hat Kunst gesagt. An der Uni dürfen die Mitglieder mitreden, am meisten die Professoren. Natürlich muss der Präsident Entscheidungen treffen. Doch wie in der großen Politik tut er gut daran, Mehrheiten für bedeutende Beschlüsse hinter sich zu bringen. Dass Olbertz keine Mehrheit für sein Kanzler-Anliegen organisieren konnte, offenbart Führungsschwäche. Denn in den Gremien der HU sitzen keine Revoluzzer.

Ein peinlicher Vorgang

Sogar die Gruppe der Studierenden ist letztlich präsidententreu. Das zeigte sich vor zwei Jahren, als Olbertz aus Ärger über die im Akademischen Senat gestoppte Fakultätsreform zurücktrat. Sofort gaben die Studierenden ihre Blockade auf, um ihm den Rücktritt vom Rücktritt zu ermöglichen. Für Olbertz ein peinlicher Vorgang.

Nach außen ist der Eindruck entstanden, die Verwaltung der HU werde ohne Kanzler ihre Probleme nicht lösen können. Aber stimmt das wirklich? Es mag sein, dass das Kanzlermodell Vorteile hätte. Allerdings kann sehr wohl auch der an der HU vorgesehene Vizepräsident für Haushalt den Überblick über Personal und Finanzen haben, so sieht es Kunst zu Recht. Dafür müsste die Position aber nach fünf Jahren endlich wieder kontinuierlich besetzt sein. Olbertz hat es versäumt, sich genug dafür zu engagieren. Und Ex-Kandidat Lohse hat bei seinem Absprung versäumt zu erwähnen, dass bei ihm zeitgleich zu seiner HU-Bewerbung ein besseres Angebot vom Max-Delbrück-Centrum in Berlin-Buch winkte, der fehlende HU-Kanzler also eher ein Nebenmotiv der Karriereplanung war.

Von Kunst darf man einen pragmatischen Leitungsstil erwarten. Angst, sich unbeliebt zu machen, hat sie nicht. Gegen viele Widerstände hat sie die Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz durchgesetzt. Entsprechend muss der Berliner Senat mit einer harten Verhandlungspartnerin rechnen, wenn bald die Hochschulverträge für die Zeit nach 2017 ausgehandelt werden.

Kunst hat sich der Uni als Teamspielerin präsentiert. Spielt sie wirklich im Team, wird das auch Berlin guttun. Für Olbertz kam eine gemeinsame Bewerbung der Berliner Unis in der nächsten Exzellenzinitiative nicht infrage. Mit Kunst scheint sie denkbar, sollte die Politik dieses Format auflegen. Berlins Wissenschaft würde zur Spitzen-Region gekürt, es käme zu stimulierenden Kooperationen. Dass Kunst, eine Kennerin auch der Berliner Wissenschaft, hier wertvolle Impulse geben kann, ist sicher.

Fest steht: Das Schicksal der HU hängt weniger stark als oft behauptet von der Einführung eines Kanzlers ab als von der Geschicklichkeit und dem Engagement ihres Präsidenten, ihrer Präsidentin.

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