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Lörrach: Zweiräder parken vor Wohnblocks der Wohnbau Lörrach.

© dpa/Christian Böhmer

Aufregung in Lörrach: Mieter raus, Geflüchtete rein und dann?

40 Parteien sollen in der badischen Stadt aus ihren Wohnungen ausziehen. Die Kommune benötigt den Wohnraum für Geflüchtete. Ein bundesweites Problem. 

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Seit ein paar Tagen kursiert ein Brief an 40 Mieter einer Häuserreihe im badischen Lörrach in sozialen Netzwerken. Darin gibt die Wohnbaugesellschaft Lörrach baldige Wohnungskündigungen bekannt.

Außerdem geht es im Brief um den erheblichen Zuzug von Flüchtlingen und die Verpflichtung der Stadt zu ihrer Unterbringung: „Wegen der besonderen Eignung werden wir unsere Liegenschaft Wölblinstraße 21 bis 29 in Lörrach für diesen Zweck zur Verfügung stellen.“ So soll Wohnraum für etwa 100 Geflüchtete geschaffen werden. Die Empörung, die folgt, ist groß.

Viele Kommunen stehen bei der Unterbringung von Geflüchteten derzeit vor großen Herausforderungen. Die steigende Zahl von ukrainischen Flüchtlingen und Asylbewerbern aus anderen Ländern sowie der allgemeine Wohnungsmangel erschweren die Situation. Die vorläufige Unterbringung wird von den Ländern organisiert und endet nach sechs Monaten.

Danach müssen sich die Kommunen um eine sogenannte Anschlussunterbringung kümmern. In Lörrach wird genau die gerade zum Problem.

Ihr Vorhaben in der Wölblinstraße teilte die Kommune gemeinsam mit der städtischen Tochtergesellschaft Wohnbaugesellschaft Lörrach am Montag über eine Pressemitteilung mit. Den bisherigen Mietern sollen über die Stadt moderne und bezahlbare Wohnungen vermittelt werden.

40
Mietern soll gekündigt werden.

Dabei solle auch die persönliche Situation berücksichtigt werden, da viele Bewohner Transferleistungen beziehen. Ebenso sicherte die Wohnbaugesellschaft Lörrach eine logistische sowie finanzielle Unterstützung beim Umzug zu.

Nach der Verwendung als Flüchtlingsunterkunft sollen die Häuser laut Stadt abgerissen werden. Gegenüber dem SWR äußern derzeitige Mieter ihren Unmut und ihre Sorgen. Sie fürchten sich auch davor, dass in der neuen Wohnung möglicherweise die Miete steigt.

Grünen-Vorsitzende spricht von einem „Kommunikationsfehler“

Die Pläne der Stadt lösten eine politische Diskussion aus. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen in Lörrach, Margarte Kurfeß, betont, dass das Schreiben ein Kommunikationsfehler sei und unglücklich sowie unsensibel formuliert.

„Man muss auch als Stadt vermitteln, dass die eine Gruppe der anderen nichts wegnimmt, das ist jetzt die Schwierigkeit. Dass jetzt verschiedene Gruppen aufeinander losgehen, hätte man vermeiden müssen.“

Laut AfD haben vier Abgeordnete ihrer Fraktion im baden-württembergischen Landtag am Mittwoch Strafanzeige gegen die Geschäftsführung der Wohnbaugesellschaft Lörrach gestellt. Grund sei der Verdacht der Nötigung zum Nachteil der Mieter. Das sogenannte „Schock-Schreiben“ habe diese in Angst und Schrecken versetzt.

Am kommenden Montag sollte eine Versammlung mit den Mietern der Wölblinstraße und der Wohnbaugesellschaft stattfinden. Diese wurde nun abgesagt.

„Es wurde eine Demo aus dem rechten Spektrum angekündigt, mit 300 Menschen, die sich vor dem Versammlungsort treffen wollten. So etwas geht gar nicht, da müssen wir auch die Mieter schützen“, sagt Oberbürgermeister Jörg Lutz.

Jörg Lutz (parteilos, l), Oberbürgermeister von Lörrach, und Thomas Nostadt, Geschäftsführer Städtische Wohnbaugesellschaft Lörrach, nehmen an einer Pressekonferenz teil.

© dpa/Christian Böhmer

Seit Aufkommen des Schreibens in den sozialen Netzwerken erreiche die Stadt sowie die Wohnbaugesellschaft eine Vielzahl von Hassmails. Trotzdem sei die Kommunikation zwischen den Mietern und der Wohnbau Lörrach gesichert. Die erste Mieterin habe bereits eine neue Wohnung, sagt Lutz dem Tagesspiegel.

Für die Wohnbaugesellschaft ist es nicht das erste Projekt dieser Art. Bereits 2015 gab es einen ähnlichen Fall in der Lörracher Grethestraße. Die 32 Wohnungen des Eckhauses wurden in eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge umgewandelt, für die damaligen Mieter wurden neue Wohnungen gefunden.

Unser oberstes Anliegen ist, dass niemand unserer Mieterinnen und Mieter auf der Straße steht.

Thomas Nostadt, Geschäftsführer der Wohnbaugesellschaft Lörrach

Zu Beginn seien die Mieter auch nicht glücklich gewesen, später hätten sie gesagt, dass die neuen Wohnungen viel besser seien, sagt Kurfeß. „Da ist es ruhiger abgelaufen und besser gelungen.“

Zu diesem Zeitpunkt seien noch keine Kündigungen ausgesprochen, sagt Thomas Nostadt, Geschäftsführer der Wohnbaugesellschaft Lörrach bei einem Mediengespräch am Mittwoch. Man nehme die Situation ernst, sei aber zuversichtlich. „Unser oberstes Anliegen ist, dass niemand unserer Mieterinnen und Mieter auf der Straße steht“, sagt Nostadt.

Auch Oberbürgermeister Jörg Lutz sagt: „Die Stadt Lörrach ist seit Jahren bestrebt und zugleich auch verpflichtet, diesen Menschen die notwendige Hilfe zukommen zu lassen.“ Gleichzeitig lobt er die bisherige Solidarität der Bürger Lörrachs gegenüber Geflüchteten. 2022 hatte die Stadt 638 geflüchtete Personen in Anschlussunterkünften unterbringen können, in diesem Jahr werden es 356 Personen sein.

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