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Friedman im Februar 2025 bei einer Veranstaltung zu 35 Jahren Mauerfall in der Landesvertretung Hessen in Berlin.

© IMAGO/Bernd Elmenthaler/IMAGO/Bernd Elmenthaler

Update

Auftritt aus Sorge vor rechten Protesten abgesagt: Friedman wirft Bürgermeister von mecklenburgischer Stadt Klütz „peinliche Heuchelei“ vor

Der Publizist sollte in der Landstadt über Demokratie sprechen. Doch der Bürgermeister intervenierte aus Sorge vor Störungen durch Rechtsextreme. Nun übt Friedman heftige Kritik.

Stand:

Eine Ausladung des Publizisten Michel Friedman vor einem geplanten Auftritt im Literaturhaus „Uwe Johnson“ in Klütz (Nordwestmecklenburg) sorgt für Kritik. Der Publizist sollte im Oktober 2026 anlässlich des 120. Geburtstags von Hannah Arendt über Demokratie sprechen. Doch nun wurde die Veranstaltung mit dem 69-Jährigen abgesagt, wie der Leiter des Literaturhauses, Oliver Hintz, der Deutschen Presse-Agentur sagte. 

Nach Darstellung von Hintz hat der Bürgermeister der Stadt Klütz, Jürgen Mevius (unabhängige Wählergemeinschaft; UWG), ihm am Telefon mitgeteilt, dass sich die Mehrheit eines städtischen Gremiums gegen eine Lesung von Friedman ausgesprochen habe. Man habe Sorge, es könnte Proteste von Rechtsextremen oder Störungen von Hamas-Sympathisanten geben. Daraufhin lud Hintz nach eigenen Angaben Friedman von der Veranstaltung aus.

Zuvor hatte sich Hintz zufolge eine Mitarbeiterin des Literaturhauses gegen den geplanten Friedman-Auftritt ausgesprochen und die Stadt als Träger des Literaturhauses eingeschaltet.

Friedman kritisiert Bürgermeister von Klütz scharf

Friedman kritisierte in einem Interview mit dem NDR Mevius scharf und sprach von einer „peinlichen Heuchelei“. Der Publizist und Jurist argumentierte, der Bürgermeister hätte im Sinne einer wehrhaften Demokratie zeigen müssen: „Der Staat lässt sich von Antidemokraten nicht erpressen.“

„Dieser Bürgermeister antizipiert, dass bei einer Veranstaltung, die im Oktober 2026 stattfindet, also in über einem Jahr, anscheinend die Rechtsextremen so stark sind, dass er seine Stadt nicht schützen kann, wenn Michel Friedman zu Besuch kommt“, sagte Friedman. Die Kunst-, Kultur und Meinungsfreiheit dürfe nicht gefährdet sein, weil eine vorweggenommene Einschüchterung durch Rechtsextreme angenommen werde. 

Bürgermeister führt finanzielle Gründe an

Mevius widersprach dieser Darstellung auf Nachfrage der dpa und nannte finanzielle Gründe. Das Honorar Friedmans sei deutlich höher als bei Lesungen von Schriftstellern dort üblich. Eine Vertreterin des Fördervereins des Literaturhauses entgegnete, der Stadt würden keine Kosten entstehen, diese würden von anderen Trägern übernommen.

Mevius sagte außerdem in einer Stadtvertretersitzung am Montagabend in Klütz, es habe keinen Beschluss der Stadtvertretung zu einer Ausladung gegeben. Er habe aber, wie er im Nachgang der Sitzung der dpa sagte, unter den Stadtvertretern ein Meinungsbild eingeholt. Mevius machte deutlich, dass dieses negativ ausgefallen war. 

Antisemitismusbeauftragter sieht „direkten Angriff auf die Meinungsfreiheit“

Der Streit um den Auftritt des jüdischen Publizisten Friedman schlägt auch in der Landes- und Bundespolitik Wellen. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, kritisierte die Ausladung Friedmans als „direkten Angriff auf die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit in unserem Land und ein Armutszeugnis für die dortige Gemeinde“. Die Entscheidung müsse „rasch rückgängig gemacht werden“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

„Die Begründung, man habe Angst vor Störungen durch Rechtsextremisten und könne nicht die Sicherheit garantieren, erscheint vorgeschoben bei einer Veranstaltung, die erst in über einem Jahr stattfinden soll“, sagte Klein. „Ein vorauseilendes Zurückweichen staatlicher Stellen vor Demokratiefeinden“ richte sich gegen die „grundlegenden Werte unserer Gesellschaft“.

MV-Kulturministerin hofft auf „gute Lösung“

Mecklenburg-Vorpommerns Kulturministerin Bettina Martin (SPD) erklärte: „Die Diskussion gibt mir Anlass zu großer Sorge.“ Sie hoffe sehr, dass die Verantwortlichen in Klütz „doch noch eine gute Lösung“ herbeiführen werden.

Der Grünen-Politiker und Vizepräsident des Bundestags, Omid Nouripur, schrieb auf X: „Hannah Arendt lehrt uns, dass Demokratie nur lebt, wenn wir sie verteidigen. Die Ausladung Michel Friedmans ist skandalös und zeigt, wie gefährlich es wird, wenn nicht nur Extremisten unsere Strukturen schwächen, sondern wenn wir uns von ihnen auch noch einschüchtern lassen.“

Die AfD ist der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zufolge zwar nicht in der Stadtvertretung des mecklenburgischen Klütz vertreten, erreichte bei der Bundestagswahl dort jedoch fast 40 Prozent der Stimmen. (dpa, jmi, juw)

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