zum Hauptinhalt

Politik: Balanceakt zwischen Einlenken und Drohen

MOSKAU .Von Anfang an lag die Latte für Jelzins Jugoslawien-Beauftragten Tschernomyrdin hoch: Von den Ergebnissen seines Washington-Besuchs hänge ab, ob Rußland als politisches Schwergewicht auf die Weltbühne zurückkehrt, hatte das Fernsehen ihm mit auf den Weg gegeben.

MOSKAU .Von Anfang an lag die Latte für Jelzins Jugoslawien-Beauftragten Tschernomyrdin hoch: Von den Ergebnissen seines Washington-Besuchs hänge ab, ob Rußland als politisches Schwergewicht auf die Weltbühne zurückkehrt, hatte das Fernsehen ihm mit auf den Weg gegeben.Viel kann er auf der Haben-Seite dennoch nicht verbuchen, auch wenn er sich verhalten optimistisch gab: ein Durchbruch sei bis jetzt jedoch nicht erreicht worden.Es sei leicht, einen Krieg zu beginnen; ihn zu beenden, würden jedoch "kolossale Anstrengungen" gebraucht, verkündete Tschernomyrdin nach seiner Landung in Moskau.Dennoch sei eine politische Lösung etwas näher gerückt.

Auch russische Medien vermerken, daß Rußland sich auf die NATO zubewegt.Einzelheiten wollte Tschernomyrdin vor einer Audienz bei Jelzin zwar nicht nennen.Dem russischen Staatsfernsehen sagte er jedoch, Moskau würde auf der Außenministerkonferenz der G-8-Gruppe am heutigen Donnerstag auf der Grundlage jener Positionen auftreten, wie sie mit den USA und mit Kofi Annan abgestimmt worden seien.

Zwar ist vor allem die Zusammensetzung der internationalen Friedenstruppe weiterhin strittig.Als nicht kompromißfähig erwies sich ein Vorschlag Tschernomyrdins, neben russischen Truppen Einheiten aus neutralen Staaten, wie Österreich und Schweden, oder aus außereuropäischen Staaten, wie Milosevic fordert, im Kosovo zu stationieren.Neben der Zusicherung Clintons an Tschernomyrdin, wonach die NATO zur Einstellung der Bombenangriffe bereit ist, sobald Milosevic mit dem Abzug serbischer Truppen aus dem Kosovo beginnt, kann Moskau noch einen weiteren Fortschritt verbuchen.Der Westen bestehe nicht länger auf die "führende Rolle der NATO", sondern habe lediglich deren Beteiligung für unerläßlich erklärt, heißt es in einer Mitteilung des russischen Außenministeriums.Auch für russische Militärs gilt inzwischen als abgemacht, daß an einer internationalen militärischen Präsenz in der Krisenregion kein Weg vorbei führt, um ein sicheres Umfeld für die Rückkehr der Flüchtlinge zu schaffen.Das erklärte Verteidigungsminister Igor Sergejew auf einer Konferenz der Verteidigungsminister Nordeuropas im norwegischen Stavanger.Diese Friedenstruppe müsse aber mit einem UN-Mandat versehen sein und dürfe nicht gegen den Willen Belgrads einrücken, forderte Sergejew.Er warnte davor, daß die in Jahrzehnten errichtete europäische Sicherheitsarchitektur "vor unseren Augen" zerstört würd, und er drohte erneut mit einer härteren Gangart Moskaus gegenüber dem Westen.Rußland, so Sergejew nach einer Besprechung mit Jelzins könnte gezwungen sein, das Abkommen zur Begrenzung konventioneller Streitkräfte in Europa zu revidieren.

Doch Beobachter meinen, derartiges Säbelgerassel sei weniger für den Westen denn als Beruhigungspille für die innere Opposition bestimmt.Und für Milosevic, den Tschernomyrdin schon in den nächsten Tagen von der Nützlichkeit der in Washington ausgehandelten Kompromisse überzeugen soll.Wenn, wie die Wirtschaftszeitung "Kommersant" befürchtet, dieser nicht inzwischen versuchen sollte, Moskau abzuhängen und sich mit den Amerikanern im Alleingang zu arrangieren.Milosevic, der begriffen hat, daß Dauerkrieg am Ende seine Macht in Frage stellen könnte, werde wahrscheinlich alle Schuld auf einen Hardliner seiner Umgebung abwälzen und mit Richard Holbrooke einen Friedensplan aushandeln, der im Kern den Bedingungen der NATO folgt.Für das von Milosevic erneut an der Nase herumgeführte Moskau, so das Blatt mit unverhohlener Häme, "eine Lehre, die der Kreml hoffentlich so bald nicht vergißt."

Zur Startseite