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Hinterm Berg. Horst Seehofer stören vor allem die 3,7 Milliarden Euro, mit denen aus München jährlich die ärmeren Länder unterstützt werden. Dass Bayern selbst bis 1986 am Tropf hing, wird dort gerne vergessen.Foto: Peter Kneffel/dpa

© dpa

Politik: Bayerische Rechenart

Seehofer stellt einen schuldenfreien Freistaat bis 2030 in Aussicht – ohne große Einschnitte, aber mit einem neuen Länderfinanzausgleich.

Von
  • Robert Birnbaum
  • Antje Sirleschtov

Berlin - Horst Seehofer hat seine Partei schon öfter verblüfft, und nicht immer nur zu deren reiner Freude. Aber das verdatterte Schweigen, das der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident diesmal während der Winterklausur bei seiner Landtagsfraktion ausgelöst hat, dürfte in die Landesgeschichte eingehen. Ob es der Anlass dazu ebenfalls bis in die Geschichtsbücher schafft, ist nicht ganz so sicher. Seehofer hat im Wildbad Kreuth ein schuldenfreies Land Bayern bis 2030 in Aussicht gestellt. Und das soll sozusagen fast nichts kosten.

Durchgerechnet sei das Projekt noch nicht, gibt Finanzminister Markus Söder zu, aber in jedem Falle sei es eine „epochale Herausforderung“. Die Herausforderung summiert sich auf derzeit 22,3 Milliarden Euro – so viel beträgt das bayerische Defizit, dazu kommen zehn Milliarden Belastung durch die Landesbank. Die sollen aber nicht mitgezählt werden; das Land, erklärt Seehofer, wolle das Geldinstitut sowieso „nicht dauerhaft behalten“.

22 Milliarden in knapp zwei Jahrzehnten abzubauen ist aber auch nicht ohne. Zumal der CSU-Chef in Aussicht stellt, dass es dabei keine harten Spareinschnitte geben solle. Fürs Erste, deutet Seehofer an, könnten drei Milliarden Rücklagen zur Schuldentilgung eingesetzt werden. Eine Modernisierung der Verwaltung soll Geld sparen – ohne größeren Personalabbau. Einen Verzicht auf die Pensionsfonds für Staatsbedienstete stellt der Ministerpräsident in den Raum. Dass sinkende Schulden auch sinkende Zinslasten nach sich ziehen, gibt er zu bedenken. Vor allem ein Ausgabeposten ist ihm ins Auge gefallen. Im Moment zahlt Bayern rund 3,7 Milliarden Euro in den Länderfinanzausgleich. Die derzeit gültige Vereinbarung aber laufe 2019 aus, rechnet Seehofer in der „Passauer Neuen Presse“ vor – überschlagsmäßig kalkuliert könnte Bayern in zehn Jahren schuldenfrei sein, wenn es den Ausgleich für die Habenichtse unter den Ländern nicht mehr zahlen müsste.

Der Länderfinanzausgleich ist den Bayern schon länger lästig. Dass das einstige arme Agrarland selbst bis 1986 am Tropf der reichen Nachbarn hing, wird hier gerne vergessen. Seehofer redet von „Gerechtigkeit“ und davon, dass er zwar weiter auf vernünftige Gespräche im Länderkreis setze, aber andererseits der Moment kommen könne, wo man sagen müsse: „Jetzt sind genug Worte gewechselt“ – und in Karlsruhe die lange angedrohte Klage einreiche.

Die bayerische Opposition, nicht minder verblüfft als die CSU-Abgeordneten, erklärt Seehofers Ankündigung zur Scharlatanerie im Vorwahlkampf: „Horst Seehofer reitet eine Kanonenkugel, auf die sich selbst Baron Münchhausen nicht setzen würde“, spottet SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Der SPD-Spitzenkandidat, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, stuft das Projekt als „christsoziale Propaganda“ ein und wirft dem Konkurrenten Trickserei vor: Die Pensionslasten für die Beamten sollten auf die Nachfolgeregierungen verschoben werden, andere Verpflichtungen drücke Seehofer den Kommunen auf, und den Länderfinanzausgleich schon mal als so gut wie erledigt zu betrachten, sei nichts weiter als eine Luftbuchung.

Aber auch aus dem Nachbarland Sachsen kommen vorsorgliche Warnungen. CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer erinnert daran, dass die Abmachungen zu Solidarpakt und Finanzausgleich bis 2019 gelten. „Einer Neuordnung des Länderfinanzausgleichs ab 2019 verschließt sich die CDU Sachsen nicht“, sagt Kretschmer dem Tagesspiegel. Aber „die vorzeitige Aufkündigung dieser Vereinbarung“ wäre „Populismus“.

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