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Der Kühlturm des Atomkraftwerks (AKW) Isar 2 in Essenbach vor einem Sonnenblumenfeld am 21. Juli 2022.

© Armin Weigel/dpa

„Wenn wir ihn dann nicht brauchen, freuen wir uns“: BDI-Chef drängt auf Vorbereitungen für AKW-Streckbetrieb

Der Industriepräsident bezweifelt, dass die Ergebnisse des Energiestresstests abgewartet werden sollten. Die Grüne halten derweil weiterhin am Ausstieg fest.

Industriepräsident Siegfried Russwurm erwartet von der Politik Vorkehrungen für einen möglicherweise über das Jahresende hinaus verlängerten Betrieb deutscher Atomkraftwerke. „Politik und Wirtschaft sollten alles vorbereiten für einen möglichen befristeten Weiterbetrieb. Und wenn wir ihn dann nicht brauchen, freuen wir uns“, sagte der Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Es gehe nun darum, möglichst viel Gas einzulagern und auch im Winter möglichst wenig Gas für die Stromerzeugung nutzen zu müssen, so Russwurm. Dazu müssten so schnell wie nur möglich die Kohlekraftwerkskapazitäten hochgefahren werden.

Ein Weiterbetrieb der Kernkraftwerke über den Dezember hinaus könnte ebenfalls helfen. Die Bundesregierung prüfe aktuell einen verlängerten Betrieb der Kernkraftwerke. „Dieses Ergebnis muss schnell kommen.“

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Mit Blick auf den diskutierten Streckbetrieb, also die verlängerte Nutzung des aktuellen Brennmaterials, warnte der BDI-Chef aber: „Die Zeit rennt davon.“ Während man auf die Ergebnisse des Stresstests warte, würden weiterhin atomare Brennstäbe verbraucht. „Dann erledigt sich das Thema Streckbetrieb in Kürze von selbst.“

Die Debatte sei immer „hochgradig emotional“ gewesen und bleibe das auch. Anliegen des BDI sei von Anfang an gewesen: „Lasst uns das zu einer Sachdebatte machen. Nur das hilft in der Situation weiter.“

Grüne sprechen sich weiterhin gegen verlängerte AKW-Laufzeiten aus

Wie der „Spiegel“ berichtet, sprechen sich Spitzenpolitiker der Grünen gegen eine verlängerte Laufzeit für die drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke aus - trotz einer geänderten Stimmungslage in der Bevölkerung und Parteibasis.

So sagte die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge gegenüber dem „Spiegel“: „Es ist fahrlässig, dass CDU und FDP in der Debatte über die AKWs so tun, als würden Sicherheitsfragen keine Rolle spielen. Immerhin handelt es sich um eine Technologie, wo ein nicht erkanntes Problem fatale Konsequenzen haben kann.“

Laufzeitverlängerung: Stimmungsbild in Deutschland kippt

Unmittelbar nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 hatte sich noch eine Mehrheit der Deutschen für einen endgültigen Atomausstieg ausgesprochen. Aktuelle Umfragen des Instituts „Civey“ für den „Spiegel“ zeigen nun, dass das Stimmungsbild in Deutschland sich verändert hat. Eine große Mehrheit der Befragten stehe der Kernkraft wieder aufgeschlossen gegenüber, heißt es. Unter ihnen befänden sich auch viele Anhängerinnen und Anhängern der Grünen.

Den Umfrageergebnissen zufolge sprachen sich etwa 52 Prozent dafür aus, die drei verbliebenen deutschen AKWs (Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2) bis zum Sommer weiter laufen zu lassen. 

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Grüne: „Man kann den Teufel nicht mit dem Beelzebub austreiben.“

Spitzenpolitiker der Grünen wie Jürgen Trittin ließen sich von solchen Ergebnissen nicht irritieren, so das Nachrichtenmagazin. „Wenn es nach Umfragen geht, wären wir schon 1986 ausgestiegen und hätten das Problem längst nicht mehr“, so der 68-jährige Politiker.

Als Grund für die Umfrageergebnisse gab der „Spiegel“ die Sorge vor hohen Energierechnungen und einem möglichen Blackout im Winter an.

Der grüne Wirtschaftspolitiker Dieter Janecek entgegnete „Die aktuelle Energiekrise ist Ergebnis unserer hohen Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, und sie bereitet den Menschen Sorge. Mehr Atomkraft ist darauf aber keine Antwort.“ So schlussfolgerte der Politiker: „Man kann den Teufel nicht mit dem Beelzebub austreiben.“

[Lesen Sie auch: Faktencheck zur AKW-Debatte: Welche Behauptungen zur Atomkraft stimmen – und welche nicht (T+) ]

BDI-Chef kritisiert langsame politische Entscheidungen

Das alles sei auch nicht zu trennen von der Frage, wie schnell und stabil der von der Bundesregierung angestrebte verstärkte Einsatz von Kohlekraftwerken zur Stromproduktion zu schaffen sei, betonte Russwurm. Erst Wochen nach der politischen Entscheidung fahre nun das erste Kohlekraftwerk wieder hoch. „Ich frage mich aber schon, warum das alles so langsam geht. Hat denn jeder verstanden, in welcher ernsten Lage wir sind?“, fragte Russwurm.

Es blieben zahlreiche weitere Fragen, beispielsweise, ob die Kraftwerke genug Kohle bekämen. „Erlauben die Pegelstände der Flüsse einen reibungslosen Transport auf dem Wasser oder wie steht es um die Kapazitäten und die Verlässlichkeit der Bahn? Es reicht nicht, dass irgendwo genügend Kohle lagert, sondern sie muss kontinuierlich zu den Kraftwerken kommen.“ (dpa, Tsp.)

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