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´Björn Höcke (li.) mit Lutz Bachmann von Pegida im Jahr 2018 in Chemnitz.

© imago images/Paul Sander

Beamte in der AfD bekommen Probleme: Polizisten im rechtsextremen „Flügel“ drohen Disziplinarverfahren

Die verschärfte Beobachtung der AfD-Truppe „Flügel“ durch den Verfassungsschutz ist für Beamte in der Partei riskant. Der Staat droht Konsequenzen an.

Von Frank Jansen

Polizisten und weitere Staatsdiener, die der rechtsextremen AfD-Vereinigung „Der Flügel“ angehören, geraten unter Druck. „Die Mitgliedschaft von Beamten in einer Partei oder einer Organisation, die durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als verfassungsfeindliches Beobachtungsobjekt eingestuft wurde, indiziert Zweifel an ihrer Verfassungsstreue“, sagte am Freitag ein Sprecher des Bundesinnenministeriums dem Tagesspiegel.

Für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens reiche die Mitgliedschaft beim „Flügel“ aus, denn schon daraus ergebe sich der Verdacht auf einen Verstoß gegen die politische Treuepflicht gegenüber dem Staat.

Verfassungsschutz: "Flügel" ist erwiesen rechtsextremistisch

Der Präsident des Bundesamtes, Thomas Haldenwang, hatte am Donnerstag den vom Thüringer AfD-Chef Björn Höcke geführten „Flügel“ als „erwiesen rechtsextremistisch“ bezeichnet. Der Nachrichtendienst stufte den „Flügel“ vom Verdachtsfall zum Beobachtungsobjekt hoch.

Der „Flügel“ steht damit auf einer Stufe mit der NPD. Das Bundesamt rechnet dem Flügel etwa 7000 Anhänger zu. Die Vereinigung verzichtet allerdings auf Mitgliederlisten.

Der Verdacht auf mangelnde Verfassungsstreue ergebe sich erst recht, wenn ein Beamter aus dem „Flügel“ politisch eine größere Rolle spiele, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums. Zu möglichen Namen wollte er sich nicht äußern. Fragen könnten jetzt allerdings auf AfD-Politiker wie den Thüringer Landtagsabgeordneten Lars Schütze zukommen.

Er ist seit 1991 Beamter bei der Bundespolizei in Erfurt. Im Oktober 2019 kam er als Direktkandidat der AfD ins Parlament. Schütze ließ eine Mail des Tagesspiegels zu einer möglichen Mitgliedschaft im „Flügel“ unbeantwortet. Neben Schütze sitzen auch zwei Beamte der Thüringer Polizei in der AfD-Fraktion.

Thüringer Innenministerium erwägt "Mitarbeiterbrief" an Beamte

Thüringens Verfassungsschutz hatte am Donnerstag betont, der „Flügel“ sei im Landesverband der AfD „stark verwurzelt“. Für den Nachrichtendienst sind die Anhaltspunkte für Bestrebungen der Thüringer AfD gegen die demokratische Grundordnung so stark, dass der Verband jetzt komplett als „Verdachtsfall“ beobachtet wird.

[Mehr zum Thema: Verfassungsschutz beobachtet AfD-„Flügel“ – es sollte auch über ein Verbot nachgedacht werden]

Damit ist der Einsatz von V-Leuten und anderer nachrichtendienstlicher Mittel möglich. Das Thüringer Innenministerium erwägt zudem einen „Mitarbeiterbrief“ an alle Landesbeamte. Wer der AfD und dem „Flügel“ angehöre, soll aufgefordert werden, mit dem Geheimschutzbeauftragten seiner Behörde zu sprechen. Geschehe das nicht, „wären disziplinarrechtliche Konsequenzen denkbar“, hieß es im Ministerium.

Die AfD reagiert eher spärlich auf die verschärfte Beobachtung durch Bundesamt und Thüringer Verfassungsschutz. „Ein Verfassungsschutz, der rechtswidrig eine demokratische Oppositionspartei angreift und diffamiert, stellt selbst eine Gefahr für unsere Verfassung dar“, sagte Bundessprecher Tino Chrupalla.

Die bereits anhängigen Klagen gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz würden ergänzt. In Thüringen meinte Stefan Möller, zweiter Sprecher des Landesverbands, „das etablierte Lager versucht bereits seit Längerem verzweifelt, den massiven Erfolgen der AfD bei den letzten Wahlen im Bund und in den Ländern etwas entgegenzusetzen“. Den AfD-Mitgliedern „und insbesondere den Beamten, denen nun Repressalien angedroht werden, möchte ich die die volle Solidarität des Landesverbandes aussprechen“.

AfD-Aussteiger Kamann ruft Abgeordnete auf, die Partei zu verlassen

Unterdessen ruft der aus der AfD ausgetretene Bundestagsabgeordnete Uwe Kamann die „verbliebenen bürgerlichen Mitglieder“ der Partei auf, sich ebenfalls abzusetzen. „Das ist jetzt der letzte Zeitpunkt, ohne Glaubwürdigkeitsverlust die AfD zu verlassen“, sagte Kamann am Freitag dem Tagesspiegel.

„Wer jetzt nicht geht, unterstützt den rechtsextremen Kurs der Partei.“ Kamann schätzt, „ein Dutzend Mitglieder der Fraktion steht dem rechtsextremen Kurs skeptisch gegenüber“. Der Abgeordnete hatte Fraktion und Partei 2018 aus Protest gegen den Rechtsruck verlassen. Er sei dann beschimpft worden als „Verräter, Mandatsräuber und Feindzeuge“, sagte Kamann.

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