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Befragung von Kommunen zum Thema Geflüchtete: Ein Drittel sieht sich im „Krisenmodus“
Es fehlt an Wohnraum, Kapazitäten für Integration und Geld: Neue Daten zeigen, wie stark Kommunen sich von der Aufgabe gefordert fühlen, alle Geflüchteten menschenwürdig zu versorgen.
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Die Lage ist angespannt: Viele Kommunen fühlen sich von der Aufgabe, alle Geflüchteten, die nach Deutschland kommen, zu versorgen und zu integrieren, stark herausgefordert oder sogar überlastet.
Das zeigt eine aktuelle Befragung des Sozialforschungsinstituts „DESI“ in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung und gefördert vom Bundesinnenministerium.
Gefragt wurde etwa nach der Unterbringung von Geflüchteten. Fünf Prozent der Kommunen sehen sich „überlastet, im Notfallmodus“. 34,6 Prozent sagen, sie seien „am Limit, im Krisenmodus“. 46,8 Prozent sehen die Lage als „herausfordernd, aber machbar“.
10,9 Prozent sagen, die Lage sei „(noch) entspannt, aber teilweise belastend“. 2,7 Prozent der Kommunen sagen, die Lage sei „entspannt, ohne Probleme“. Es gibt Vorgängeruntersuchungen, bei denen aber weniger Antwortoptionen zur Wahl standen, so dass die Ergebnisse nicht direkt vergleichbar sind.
Wir haben eine Halle als Notunterkunft praktisch ständig in Betrieb, wo wir zumindest übergangsweise – bis die nächste dezentrale Unterkunft verfügbar ist – Flüchtlinge in kaum noch vertretbarer Form ‚zwischenlagern‘. Integration ist kaum mehr möglich. (...) Wir werden überschwemmt mit Beschwerdeschreiben (...) – Quintessenz ist zunehmend völlig unverblümt die Drohung, zukünftig AfD zu wählen, wenn die Unterkunft kommt! Der Stimmungswandel in der Bevölkerung ist unverkennbar!
So erläutert ein Landkreis in Bayern in einem offenen Antwortfeld seine Sicht der Lage
Von 3274 Kommunalverwaltungen auf unterschiedlichen Verwaltungsebenen, die angefragt wurden, nahmen 567 an der Untersuchung teil. Die Befragung ist nicht repräsentativ.
In der Auswertung heißt es, die Stichprobe spiegele die Verteilung der Kommunen in Deutschland hinsichtlich ihrer Einwohnerzahl recht gut wider. Ostdeutsche Kommunen seien aber eher unterrepräsentiert.
Vier von zehn Kommunen nutzen Notunterbringung
Es gibt diverse Formen der Notunterbringung, 42,2 Prozent der Kommunen geben an, mindestens eine davon zu nutzen. In den meisten Fällen sind das Wohncontainer (34,6 Prozent). Sporthallen müssen 2,8 Prozent der Kommunen nutzen. 2,1 Prozent nutzen Zelte, die es in unterschiedlichsten Größen gibt.
Die Kommunen wurden gefragt, wie sie die Herausforderung in bestimmten Bereichen bewerten: von 1 („sehr schwach“) bis 5 („sehr stark“). Als größte Herausforderung wird der Wohnungsmarkt bewertet (4,6), es folgen die Versorgung mit Integrations- und Sprachkursen (3,8) sowie die gesundheitliche Versorgung und psychosoziale Betreuung (3,8). Die Lage in Schulen und Kitas wird mit je 3,6 ebenfalls als recht herausfordernd bewertet.
Keine Propaganda und kein Populismus auf dem Rücken der Geflüchteten. Das schürt Vorurteile und spaltet die Gesellschaft noch mehr.
Das fordert eine Kommune in Baden-Württemberg im von ihr ausgefüllten Fragebogen
Das ehrenamtliche Engagement in der Bevölkerung sehen die Kommunen mit einer Bewertung von 3,8 als wichtigsten einzelnen Faktor, der ihnen hilft, die Lage zu bewältigen. Gut 68 Prozent der Kommunen empfinden die Kooperation mit freien Trägern und der Zivilgesellschaft als „sehr gut“ oder „eher gut“.
Diese Unterstützung fordern die Kommunen
Wiederum auf einer Skala bis maximal 5,0 haben die Kommunen bewertet, wie wichtig ihnen unterschiedliche Anliegen sind, um die Lage bewältigen zu können.
Vorn liegen mit je einem Wert von 4,6 drei Themen: eine auskömmliche Finanzierung, eine bessere Koordination der Flüchtlingspolitik zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie die Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Aber auch viele weitere Themen erreichen hohe Werte.
Die Befragung wurde zwischen August und September 2024 durchgeführt. Die Ergebnisse von Autor Frank Gesemann und Autorin Lea Freudenberg werden in Form einer Kurzexpertise am Donnerstag vorgestellt. Für das Jahr 2025 ist ein ausführlicherer Forschungsbericht des „DESI“ („Institut für Demokratische Entwicklung und Soziale Integration“) geplant.
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