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Behörden verteidigen Sicherheitskonzept: Täter in Magdeburg nutzte Rettungsweg – es gab keine Poller oder andere Hindernisse
Einen Tag nach dem Attentat in Magdeburg werden weitere Details zum Stand der Ermittlungen bekannt. Die Staatsanwaltschaft äußerte sich vorsichtig zu einem möglichen Motiv.
Stand:
Der Tatverdächtige des Anschlages in Magdeburg hat eine Flucht- und Rettungsgasse genutzt, um mit dem Auto auf den Weihnachtsmarkt zu gelangen. An der Stelle, an der der Täter in die Rettungsgasse auf den Bürgersteig fuhr und in die Rettungsgasse bog, habe es keinerlei Hindernisse gegeben, wie der Beigeordnete für Personal, Bürgerservice und Ordnung der Landeshauptstadt Magdeburg, Ronni Krug, am Samstagnachmittag bei einer Pressekonferenz im Magdeburger Rathaus zum Ermittlungsstand mitteilte.
Dies sei bewusst so gemacht worden, um einen Fluchtweg zu gewährleisten. Notarzt und Feuerwehr sollten über diesen Weg bei Unfällen oder anderen Einsätzen auf dem Platz gelangen können. Dort seien aber mobile Einsatzkräfte der Polizei stationiert gewesen.
Die Wege seien daher nicht ungeschützt gewesen, verteidigte Krug das Konzept. Es „befand sich dort vor Ort ein Polizeibulli“. Unklar blieb bei seinen Ausführungen, warum der Täter trotz des Bullis an dieser Stelle ungehindert auf den Markt fahren konnte. Der Beigeordnete erinnerte dabei an die Tragödie der Loveparade.
Krug sprach zunächst von einem „guten Sicherheitskonzept“. Es habe sich „über lange Jahre bewährt“. Später korrigierte er sich und sagte, das Konzept sei nach „bestem Wissen und Gewissen“ erstellt worden. Kein Veranstalter habe mit so etwas rechnen können. Dieser Anschlag sei „vielleicht nicht zu verhindern“ gewesen. In der Pressekonferenz gab es einige kritische Nachfragen zu dem Sicherheitskonzept. Krug sagte, es sei mit allen Ämtern abgestimmt gewesen und erst am 24. November noch einmal verschärft worden.
Neunjähriges Kind unter den Todesopfern
Mindestens 205 Menschen sind Opfer des Anschlags in Magdeburg geworden. Darunter sind fünf Tote und 41 teils Schwer und Schwerstverletzte, wie Krug weiter sagte. Unter den Toten sind vier Erwachsene und ein neunjähriges Kind. Wie viele von den Schwer- bis Schwerstverletzten noch in Lebensgefahr schweben, wollte Krug im Interesse der Betroffenen nicht sagen.
Laut Tom-Oliver Langhans, Direktor der Polizeiinspektion Magdeburg, ist der erste Anruf am Freitag um 19.02 Uhr eingegangen. Der Anrufer glaubte demnach an einen Unfall. Danach folgten mehrere Dutzend weitere Anrufe, sagte er weiter.
Die Polizei geht weiter von einem Einzeltäter aus. Hinweise schließen einen zweiten Täter aus, so Langhans. Vor einem Jahr gab es der Polizei zufolge schon einmal eine Strafanzeige gegen den Täter. Weshalb, ist noch unklar. Es war offenbar eine Gefährderansprache geplant, diese sei aber aus bisher ungeklärten Umständen nicht erfolgt.
Erster Hinweis auf Motiv
Der aktuelle Tatvorwurf lautet demnach auf fünffachen Mord und 205-fachen versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Laut Horst Walter Nopens, dem leitenden Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Magdeburg, laufe die Vernehmung des Täters noch. Anschließend soll Haftbefehl erlassen werden.
Das Motiv des Tatverdächtigen ist indes noch nicht geklärt. „Unzufriedenheit mit dem Umgang mit saudiarabischen Flüchtlingen“ könne der Auslöser der Tat gewesen sein, sagte Nopens. Doch das sei nur eine Möglichkeit. Die Ermittlungen seien in einem Anfangsstadium. Die Vernehmung des Beschuldigten laufe noch. Er habe den Umgang Deutschlands mit saudi-arabischen Flüchtlingen aber als Motiv genannt. Dennoch wolle man keine voreiligen Schlüsse ziehen.
Noch zeichnet die Magdeburger Staatsanwaltschaft für die Ermittlung verantwortlich, der Generalbundesanwalt prüft den Fall derzeit.
Die Magdeburger Staatsanwaltschaft stuft den Vorfall als Anschlag ein. Wenn man in einen Weihnachtsmarkt hineinfahre, dann sei das ein Anschlag, und wenn man das mit einem Fahrzeug mache, dann sei das auch zugleich eine Amokfahrt, sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Horst Walter Nopens auf einer Pressekonferenz in Magdeburg auf eine entsprechende Frage. „Ob es ein Terroranschlag war, wissen wir noch nicht“, betont er zugleich.
Der Weihnachtsmarkt in Magdeburg wird unterdessen nicht wieder öffnen. „Dort sind Menschen gestorben. Man kann dort keinen Weihnachtsmarkt mehr durchführen“, sagte Krug. „Ich weiß, dass es Stimmen gibt, dass man damit nachgibt“, aber er sehe es mit Blick auf die Opfer als Pietät an. (leb, mit Agenturen)
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