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Teilnehmer einer Kundgebung von Kritikern der Coronamaßnahmen der Bundesregierung.

© Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa

„Volldepp“, „Arschloch“ und „Systemschreiberling“: Beleidigt und bedroht – was ich als Journalist in Sachsen erlebe

Von Corona-Gegnern werde ich als Journalist immer wieder diffamiert. Inzwischen auch im Privaten. Eines aber macht mir noch viel mehr Angst.

Der Autor dieses Textes arbeitet für die Sächsische Zeitung. Der Kommentar erschien zuerst dort.

Ich weiß nicht, ob ich dem Druck am Anfang meines Berufslebens als Journalist standgehalten hätte. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, dass ich als "Volldepp", "Arschloch", "Systemschreiberling" oder mit "der Name ist Programm" beleidigt werde.

Das muss man wohl hinnehmen, wenn man in der Öffentlichkeit steht. Doch mit Corona hat das Ausmaß der Grenzverletzungen deutlich zugenommen. Viele Kollegen können davon ein Lied singen. Als unbescholtener Vater von drei Kindern als "Kinderficker" diffamiert zu werden, prallt nicht von mir ab. Das tut weh.

Wenn ich von Coronamaßnahmen- und Impfgegnern beim Sonntagsspaziergang auf offener Straße in Zittau derart beschimpft werde, dass die kleineren meiner Kinder in Tränen ausbrechen, könnte ich aus der Haut fahren. Auch der Besuch zu Hause und die Frage, ob ich meine 82-jährige Mutter umbringen will, weil ich ihr einen Impftermin organisiert habe, lässt mich nicht kalt.

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Da kann ich mit E-Mails, in denen mir körperliche Gewalt angedroht wird, wenn ich die Berichterstattung über Corona nicht ändere, noch besser leben. Oder damit, dass mich ein Organisator der Ringspaziergänge in der Öffentlichkeit anbrüllt: "Ihr - die SZ (Sächsische Zeitung) - wollt den totalen Krieg? Den könnt ihr haben."

[Lesen Sie auch: Radikale Impfgegner: Sie sind bereit zum Angriff (T+)]

Nach mehr als 20 Jahren im Job kann ich vieles davon einordnen. Was mich wirklich wütend macht, ist etwas anderes. Teile der Corona-Protestler haben sich so weit radikalisiert, dass eine zielorientierte, sachliche Kommunikation nicht mehr möglich scheint. Überprüfbare Fakten, Daten, Zahlen gelten nichts mehr. Emotionen und Glaube sind an ihre Stelle getreten. Wenn beide Welten aufeinanderprallen, endet das oft in verbalen Scharmützeln.

Noch schlimmer sind diejenigen, die auf den Zug aufspringen und ganz gezielt, mit voller Absicht so debattieren. Ihnen geht es gar nicht um Corona und die Auswirkungen von Spritzen, Schulschließungen, Kurzarbeit oder Insolvenzen. Es geht ihnen darum, die Gesellschaft zu destabilisieren. Aus niederen Beweggründen und nicht, weil sie einen besseren Plan hätten. Das macht mir viel mehr Angst als Beleidigungen und Drohungen. Mir als Mensch, Vater und Journalist.

Thomas Mielke

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