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Die flämische Bevölkerungsgruppe in Belgien hat große Sympathien für das Unabhängigkeitsstreben der Katalanen.

© Emmanuel Dunand, AFP

Katalonien-Konflikt: Belgien prüft den Fall Puigdemont

In Brüssel wird über das spanische Auslieferungsbegehren verhandelt. Die Regierung fürchtet ein Übergreifen der Katalonien-Krise auf ihr Land.

Als sich Carles Puigdemont in die belgische Hauptstadt absetzte, kündigte der abgesetzte katalanische Regionalpräsident an, den Katalonien-Konflikt ins Herz Europas tragen zu wollen. Er hat ihn damit auch in ein Land gebracht, das von tiefen Gräben zwischen seiner französisch- und seiner flämischsprachigen Bevölkerung gezeichnet ist. Sein Exil stellt die fragile belgische Regierung auf die Probe und sorgt für Spannungen zwischen Brüssel und Madrid.

Am Freitag begann die erste Anhörung Puigdemonts vor einem belgischen Gericht, das über den spanischen Auslieferungsantrag gegen den Katalanenführer entscheiden soll. Das wird wohl erst am 4. Dezember der Fall sein. Das Gericht vertagte die Verhandlung auf dieses Datum. Puigdemont und weitere Mitglieder seiner Regionalregierung waren der Aufforderung, in Madrid vor Gericht zu erscheinen, nicht nachgekommen. Spanien wirft ihnen wegen der Unabhängigkeitserklärung unter anderem „Rebellion“ vor. Darauf stehen bis zu 30 Jahre Haft. Madrid erließ einen europäischen Haftbefehl, den belgische Gerichte nun prüfen.

Regelmäßige Auftritte

Puigdemont tritt regelmäßig in Brüssel auf und gibt Erklärungen zu dem Konflikt um seine Heimat Katalonien ab. Der Umstand hat den Unabhängigkeitsbestrebungen in der wohlhabenderen flämischsprachigen Region in Nord-Belgien Aufwind gegeben. Die separatistisch-nationalistische Partei Neu-Flämische Allianz (N-VA), die seit 2014 der zerbrechlichen Regierungskoalition unter Führung des französischsprachigen Ministerpräsidenten Charles Michel angehört, hat Puigdemont offen ihre Unterstützung zugesichert. Die N-VA sieht Flandern in einer ähnlichen Situation wie Katalonien: als wirtschaftlicher Motor des Landes, dem zugleich politische Selbstbestimmung vorenthalten wird.

Die Causa Puigdemont hat zudem Spannungen zwischen Brüssel und Madrid ausgelöst. Flämische Politiker verglichen die spanische Regierung mit der Franco-Diktatur, während spanische Politiker Verbindungen der flämischen Regierungspartei nach Rechtsaußen anprangerten. Dabei ist Belgiens Innenpolitik schon lange von Instabilität und Unsicherheit geprägt – das Land hält den Weltrekord der längsten Zeit ohne Regierung: 541 Tage in den Jahren 2010 und 2011. Die derzeit regierende „Allianz der Vernunft“ aus vier politischen Formationen ist ein fragiles Konstrukt. Die Kontroverse um den abgesetzten Katalanen-Präsidenten rüttelt nun an ihren Grundfesten.

Probleme für den belgischen Regierungschef wachsen

Immigrationsminister Theo Francken, der der flämischen Allianz angehört, war in Sachen Puigdemont vorgeprescht und hatte die Möglichkeit ins Spiel gebracht, dem von Madrid abgesetzten Katalanenführer politisches Asyl zu gewähren. Regierungschef Michel warnte daraufhin seine Minister, „kein Öl ins Feuer zu gießen“. Innenminister Jan Jambon, ebenfalls von der N-VA, kritisierte das Schweigen der EU gegenüber einem Mitgliedsstaat, „der demokratisch gewählte Mitglieder einer Regierung einsperren lässt“. Parteichef Bart De Wever brachte den Franco-Vergleich.

„Der Kontrast zwischen den unangebrachten Äußerungen der N-VA und der Funkstille des Premierministers ist frappierend“, resümiert Paul Dermine, Experte für öffentliches Recht. Michel habe offensichtlich Schwierigkeiten, sich Respekt zu verschaffen. Dermine sieht die Regierung in Brüssel dennoch nicht vor dem Kollaps: „Die Flamen reden nicht viel von Unabhängigkeit“. Unter den Flamen gelten nur zehn bis 15 Prozent als beinharte Nationalisten, wie Flandern-Experte Bruno Yammine anmerkt.

Je länger Puigdemont in Belgien bleibt, desto größer wird das Problem für Regierungschef Michel. Bis die belgischen Richter entscheiden, ob er nach Spanien ausgeliefert wird, könnte es noch Monate dauern. Sollte Belgien die Auslieferung verweigern, hätte das außerdem gravierende Folgen für das Verhältnis zur Zentralregierung in Spanien. AFP

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