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Politik: Beten für den eigenen Tod

GENF .Folter und brutalste Mißhandlungen stehen in serbischen Gefängnissen im Kosovo auf der Tagesordnung.

GENF .Folter und brutalste Mißhandlungen stehen in serbischen Gefängnissen im Kosovo auf der Tagesordnung.Dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) liegen Berichte von mehr als 200 entlassenen politischen Häftlingen vor, die keinen Zweifel an den Gewaltexzessen serbischer Wärter lassen.An den Übergriffen in den Zuchthäusern beteiligen sich auch gewöhnliche serbische Schwerkriminelle, die von den Sicherheitskräften auf die Kosovaren gehetzt würden."Die Schreie der Mißhandelten dringen von morgens bis abends durch die Gänge der hoffnungslos überfüllten Anstalten", erklärte UNHCR am Montag.Es gebe ein "Muster von Mißhandlungen".

Die meisten Kosovo-Albaner, in der Regel im wehrfähigen Alter, wurden demnach von serbischen Sicherheitskräften nach dem Beginn der Nato-Luftschläge am 24.März in Gefängnisse gesteckt.Einige der Männer hätten "täglich für ihren eigenen Tod gebetet", nur um den Grausamkeiten zu entrinnen.Zum Repertoire der Serben gehöre das systematische Aushungern der Gefangenen.Würden die Wärter ihren Opfern dann doch ein Stück Brot zuwerfen, zückten sie Stöcke, prügelten auf die Kosovaren ein und brüllten: "Das ist genug für Dich." Mit Hämmern würden Knöchel zertrümmert.

Auf den Gefängnishöfen schlügen die Serben quasi ohne Unterlaß auf ihre wehrlosen Opfer ein oder zwängen die Männer, sich gegenseitig zu peinigen.Oft solange, bis sie in Ohnmacht fielen.In den Zellen führten serbische Sicherheitskräfte wilde Tänze zu Musik auf, während ihre Komplizen Prügelorgien veranstalteten.

UN-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson erhebt in einem Report gegen die jugoslawischen Behörden ebenfalls schwerste Vorwürfe.Die Vertreibung der Kosovo-Albaner aus ihrer Heimat sei von langer Hand geplant und in keinem Fall die Folge der Nato-Attacken.Inzwischen seien 852 000 Menschen geflohen.

Auch serbische Zivilisten beteiligten sich an den Aktionen gegen Mitbewohner der Orte im Kosovo.Unter den verbliebenen Kosovaren würden alle Intellektuellen gezielt ausgesondert und exekutiert.Massenhinrichtungen seien allgegenwärtig, wie Überlebende den UN-Offiziellen mitteilten.Serbische Sicherheitskräfte erschössen Dorfbewohner auch, wenn die sich auf der Flucht befinden.Zudem komme es immer wieder zu Folterungen, Vergewaltigungen und rüden Drohungen gegen die kosovarische Zivilbevölkerung.

Unterdessen erreichten weitere 51 ehemalige Häftlinge aus Lipljan und 157 aus dem Smrekovnica-Gefängnis traumatisiert und zum Teil mit Knochenbrüchen die Grenzen zu Albanien und Mazedonien.Über das Wochenende hatten rund 500 Kosovo-Albaner den Weg in das benachbarte Albanien gefunden.Nach Mazedonien strömten rund 1500 Flüchtlinge.Dem UNHCR liegen Berichte über schwere Kämpfe der serbischen Sicherheitskräfte mit Kräften der Kosovobefreiungsarmee UCK vor.Das Hilfswerk will weiter Flüchtlinge aus den unsicheren Grenzregionen ins albanische Landesinnere bringen.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) nahm Berichte von rund 300 Kosovo-Albanerinnen aus der Nähe von Suva Reka auf, die drei Tage lang von serbischen Soldaten festgehalten und vergewaltigt worden waren.

JAN DIRK HERBERMANN

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