Politik: Blauhelme sind die Hoffnung
Die Flüchtlinge aus dem Westen Sudans wollen in ihre Heimatdörfer zurück. Was die Mitarbeiterin einer DRK-Gesundheitsstation im Krisengebiet erlebt hat
Stand:
Am Eingang der Klinik in Darfurs Wüstensand beginnt eine andere Welt: Dort drinnen zwischen Entbindungsstation und Labor mitten im Flüchtlingslager Abu Shok bei El Fasher sind Waffen tabu, ein großes handgemaltes Schild lässt daran keinen Zweifel. Allerdings machen sich Managerin Conny Häusler und die anderen Mitarbeiter keine Illusionen, dass die Patienten deshalb ohne Waffe kommen. „Alle Männer tragen hier unter ihren weiten Gewändern mindestens einen Dolch am Oberarm", berichtet die resolute 52-Jährige, die gerade nach zwölf Monaten im westsudanesischen Krisengebiet nach Berlin zurückgekehrt ist. Dieser Sitte wollen sich die Klinikmitarbeiter allerdings nicht beugen. Deshalb gibt es notfalls eine Leibesvisitation - und direkt am Tor eine kleine Hütte, in der die Waffen bis zum Verlassen des Hospitals aufbewahrt werden. Die Wüstenklinik von Abu Shok liegt in der Region, die durch die systematische Vertreibung und Ermordung der Bevölkerung weltweit bekannt geworden ist. Der Regierung in Khartum wird vorgeworfen, die mordenden und brandschatzenden Reitermilizen, die Dschandschawid, zu unterstützen, um das Gebiet unter ihre Kontrolle zu bringen. Allein nach El Fasher haben sich rund 250 000 Menschen geflüchtet. Sie sind in den Camps für Binnenflüchtlinge Abu Shok, As Salaam und Zamzam cirka zehn bis 15 Kilometer um die Stadt untergebracht. Insgesamt sind nach jüngsten Berichten der Vereinten Nationen rund zwei Millionen Sudanesen im eigenen Land auf der Flucht.
Die meisten derjenigen, die in der Gesundheitsstation des Deutschen Roten Kreuzes im 55 000 Flüchtlinge zählenden Abu Shok behandelt werden, sind bereits fast drei Jahre von zu Hause fort. Inzwischen künden auch die Krankheiten der täglich im Schnitt 150 Patienten nicht mehr offensichtlich von dem Leid, von dem die Menschen berichten. Die Kette rauchende Berlinerin erzählt von Durchfall, Nierenproblemen, „weil die Flüchtlinge zu wenig trinken, weil es nach ihrer Sitte unhöflich ist, zu viel zu trinken. Obwohl es im Camp genug Wasser gibt.“ Probleme machen auch Erkältungen. „Im Winter von November bis Februar wird es nachts furchtbar kalt und man braucht Wolldecken und Socken, aber die haben die Menschen natürlich nicht," berichtet Conny Häusler. So werde aus einer Erkältung „ratzfatz eine Bronchitis“. Im Juli brach allerdings Cholera aus. Das war, sagt Häusler, aber nicht so dramatisch. Es seien glücklicherweise nur zehn Menschen gestorben. Mit Hygiene sei bei Cholera schnell zu helfen. Schwieriger war es , als Meningitis ausbrach. Denn dagegen hilft nur eine Impfung. Das ist nicht so einfach. Allerdings sind das wohl nur die Krankheiten, die die drei einheimischen Ärzte, die Krankenschwestern und die anderen Mitarbeiter in der Regel zu sehen bekommen. Wie es in den Patienten aussieht, können sie nur ahnen. Denn die Flüchtlinge berichten von Gräueln nach einem Muster, das offenbar System hat. „Ich habe es nicht gesehen, ich kann deshalb nichts dazu sagen", betont Conny Häusler. Was die Menschen erzählen? Zunächst fielen die Dschandschawid in ein Dorf ein. Wenn die Bewohner sich nicht mit ihnen verbünden, werde das Dorf niedergebrannt, die Männer erschossen, Frauen vergewaltigt. In einer dritten Welle fliegen diesen Berichten zufolge Antonows über den Ort, werfen Bomben auf Wasserstellen und Viehherden. Die Flüchtlinge sagen, die Bomben werden mit der Hand rausgeworfen. Fast alle, die es nach Abu Shok geschafft haben, haben Angehörige verloren.
In Europa würde man versuchen, Menschen mit solch traumatischen Erlebnissen mit mehr als ein paar Verbänden und Operationen zu helfen. Im Darfur übernimmt das die weitverzweigte Familie. „Es ist ganz schwierig, Waisen ausfindig zu machen, denn irgendjemand nimmt die Kinder immer auf“, erzählt Conny Häusler, die aus Sicherheitsgründen immer mit Mobiltelefon, Funk und Satphone unterwegs ist, mit Hochachtung in der Stimme. Ihr ist in dem Jahr in der Wüste aber immer wieder die tiefe Traurigkeit der Menschen aufgefallen. „Die Menschen sind so leidensfähig, das kann man sich als Europäer gar nicht vorstellen.“ Es gebe kaum Klagen über die Situation. Die meisten Flüchtlinge wollten aber unbedingt zurück - und hätten die Hoffnung keineswegs aufgegeben.
Sie hoffen auf die Vereinten Nationen: „Sie sagen, wenn die Blauhelme kommen, wird alles gut.“ Die meisten aber glauben wohl doch nicht daran, dass die sehr bald kommen. Viele haben begonnen, sich aus Lehmziegeln Häuser zu bauen. Aber in Abu Shok werden sie auf Dauer nicht bleiben können. Dafür reicht das Wasser in der Gegend dann doch nicht, sagt Conny Häusler. Tsp
-
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: