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BND-Einfluss auf Medienberichte über militärische Lage?: Was zur Ukraine erzählt wird, bleibt geheim
Dem Nachrichtendienst wurde vorgeworfen, die militärische Lage schlechtzureden. Aufklärung dazu gibt es keine – das Bundesverwaltungsgericht sieht sonst Probleme für die Diplomatie.
Stand:
Der Bundesnachrichtendienst (BND) darf endgültig geheim halten, ob er im Wege vertraulicher Gespräche mit Journalistinnen und Journalisten Einschätzungen zur militärischen Lage in der Ukraine abgegeben hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht nach einer Klage des Tagesspiegels entschieden (Az.: BVerwG 10 A 3.24).
Anlass der Recherche waren Vorwürfe des Unionsaußenpolitikers Roderich Kiesewetter gegenüber der Ampelregierung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Mai vergangenen Jahres. Der Abgeordnete hatte geäußert, aus Geheimdienstkreisen würden pessimistische Lagebilder zur Situation an der Front bewusst „gestreut“.
So habe im Sinne des Kanzleramts suggeriert werden sollen, „dass die Situation aussichtslos ist und eine militärische Unterstützung nichts mehr bringt“. Damit solle Kiew „subtil, aber grausam“ zu Gebietsabtretungen gedrängt werden. Kiesewetter war damals noch Vizevorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag, das für die Nachrichtendienste zuständig ist.
Es gab keinen „Spin“, sagt der BND
Um Informationen an die Öffentlichkeit zu bringen, ohne dort selbst als Akteur zu erscheinen, nutzt der BND seit vielen Jahren Hintergrundgespräche mit Medienvertretern. Hier teilt der BND Kenntnisse über die politische Lage oder die Sicherheitslage im Ausland mit. Sie dürfen für die Berichterstattung verwertet werden, jedoch nur als eigene Analyse. Ein Hinweis auf den BND als Quelle muss unterbleiben.
Das ist eine brisante Information.
Susanne Rublack, Vorsitzende des 10. Senats des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, ob der BND Einschätzungen zu Siegchancen der Ukraine abgegeben hat
Nach einem Beschluss des Leipziger Gerichts in einem Eilverfahren (Az.: 10 VR 1.24), der ebenfalls auf Antrag des Tagesspiegels ergangen war, hat der BND erstmals Auskünfte über seine vertrauliche Informationsarbeit mit Bezug auf den Ukrainekrieg geben müssen. Demnach sind es mindestens acht sogenannte Einzelhintergrundgespräche, die der BND seit Jahresanfang 2024 zum Thema „militärische Situation in der Ukraine“ geführt hat.
Inhaltliche Auskünfte dazu dürfte der BND allerdings verweigern, hieß es bereits im Eilbeschluss. Würden die Einschätzungen öffentlich bekannt, könnte dies „die Stellung und Wahrnehmung der Bundesrepublik Deutschland in der internationalen Gemeinschaft beeinträchtigen“.

© dpa/Kay Nietfeld
Bei dieser Linie ist das Bundesverwaltungsgericht auch im Hauptsacheverfahren geblieben. Es muss nicht einmal mitgeteilt werden, ob der BND überhaupt Einschätzungen zu Siegchancen der Ukraine abgegeben hat. In der mündlichen Verhandlung bestritt der Vertreter des BND, dass die mitgeteilten Informationen einen „Spin“ gehabt hätten.
Eine schriftliche Urteilsbegründung liegt zwar noch nicht vor, jedoch hatte der 10. Senat des Gerichts in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass es sich hierbei um eine „brisante Information“ handele, deren Veröffentlichung Nachteile für die diplomatischen Beziehungen der Bundesrepublik mit sich bringen könnte. Abgelehnt wurden zudem Auskünfte zu Fragen, welche Medien etwaige Lage-Einschätzungen des BND erhalten haben.
Der BND ist – wie jede Behörde – auf Grundlage des Presse- und Rundfunkrechts zu Auskünften gegenüber Medien verpflichtet. Informationen dürfen nur verweigert werden, wenn berechtigte, schutzwürdige Belange entgegenstehen. Dies muss von den Behörden begründet werden.
Das Bundesverwaltungsgericht gesteht dem BND in seiner jüngsten Rechtsprechung zu, Informationen gegenüber der Presse zu sperren, wenn eine Offenlegung außenpolitische Verhältnisse beeinträchtigen könnte. Internationale Beziehungen seien Sache der Regierung, heißt es. Hier stehe der Regierung ein Spielraum zu, „der sich weitgehend der gerichtlichen Kontrolle entzieht.“
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