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Präsident Michel Temer soll 130.000 Euro angenommen haben.

© dpa

Offenbar Schmiergeld angenommen: Brasiliens Präsident Temer wegen Korruption angeklagt

Es ist ein einmaliger Vorgang in Brasiliens Geschichte: Präsident Temer wird wegen Korruption angeklagt. Das er wirklich vor Gericht kommt, ist derzeit unwahrscheinlich. Und zurücktreten will er nicht.

Der brasilianische Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot hat Klage gegen Präsident Michel Temer wegen passiver Korruption eingereicht. Nie zuvor war das Staatsoberhaupt des Landes formal eines Verbrechens angeklagt. Janot sieht es als erwiesen an, dass Temer umgerechnet rund 130.000 Euro vom Chef des Fleischkonzerns JBS angenommen hat. Im Gegenzug habe er zum Vorteil von JBS auf die Wettbewerbsbehörde eingewirkt.

Weitere Anklagen gegen Temer werden nun erwartet: wegen Behinderung der Justiz und wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Dennoch hat der Präsident einen Rücktritt ausgeschlossen. Er leugnet die Vergehen und bezeichnet sich als Opfer eines Komplotts durch Joesley Batista, des Chefs des JBS-Konzerns. Batista hatte ein Gespräch mit Temer heimlich aufgezeichnet und das kompromittierende Material an die Staatsanwaltschaft übergeben.

Zwei Drittel der Abgeordneten müssen Anklage unterstützen

Auf die Frage von Journalisten, ob er nun an Rücktritt denke, antwortete Temer: „Sehen sie dieses Lächeln?!“ Daraufhin grinste er in die Kameras. Zuvor hatte er gesagt, ihn könne nichts „zerstören“. Temer, dessen Zustimmungsrate zuletzt bei rund fünf Prozent lag, scheint sich in einer Scheinwelt einzurichten. So gab er etwa bekannt, dass niemand daran zweifeln würde, dass seine Modernisierungsagenda für Brasilien notwendig sei. Tatsächlich lehnt die große Mehrheit der Brasilianer die Reformen des Arbeitsmarkts und des Rentensystems ab, würden sie doch erhebliche Nachteile für die Arbeitnehmer bedeuten.

Dennoch hat der Präsident Gründe, sich selbstbewusst zu geben. Denn erstens gehört es zur Kultur der Politik in Brasilien, auch bei schwersten Vorwürfen nicht den Hut zu nehmen. Die politische Klasse des Landes hat sich in einer Kultur der Selbstbereicherung und Lüge eingerichtet. Zweitens aber ist es nun das Parlament, dass über sein weiteres Schicksal entscheidet. Die Anklage gegen ihn muss von einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Abgeordneten unterstützt werden. Das gilt derzeit als ausgeschlossen.

Fast 90 Prozent der Brasilianer befürwortet Neuwahlen

Temer war im vergangenen Jahr nach einem fragwürdigen Absetzungsprozess gegen Präsidentin Dilma Rousseff ins Amt gekommen. Seitdem ist immer klarer geworden, dass hinter dem Impeachment der Versuch einer alten politischen Elite stand, die Ermittlungen im Korruptionsprozess um die Erdölgesellschaft Petrobras sowie gegen weitere Konzerne zu behindern. Rousseff ließ den Ermittlern freie Hand. Die Anklage gegen Temer ist nun eine Folge dieser Ermittlungen. Neben dem Präsidenten stehen acht seiner Minister unter Korruptionsverdacht. Fast 90 Prozent der Brasilianer befürwortet Neuwahlen. Um den Weg dahin freizumachen, müsste Temer Größe zeigen. Die er nicht hat.

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