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Gegen das alte Regime. Diese Ägypterin hat sich für ihren Protest die Flagge des Landes übergeworfen. Foto: Manu Brabo/dapd

© dapd

Politik: BrennpunktTahrir

Vor der Stichwahl in Ägypten protestieren Zehntausende gegen den Kandidaten der Armee, einen früheren Luftwaffenoffizier.

In Ägypten übernehmen die beim ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl ausgeschiedenen Kandidaten eine neue Rolle. Sie führen die Proteste gegen die Mubarak-Urteile und für den Ausschluss von Präsidentschaftskandidat Ahmed Shafik an. Der säkulare Linke Hamdin Sabahi, der frühere Muslimbruder Abdel Moneim Abul Fotouh sowie der Anwalt und Arbeiteraktivist Khaled Ali stellten sich am Dienstagabend an die Spitze von Protestzügen, die auf dem Tahrir-Platz endeten.

Die Atmosphäre erinnerte an die Revolutionstage im vergangenen Frühling, und auch manche der Losungen waren die gleichen wie vor einem Jahr. Es waren viele junge Leute auf der Straße, die offensichtlich ganz verschiedenen politischen Strömungen anhängen, die aber die Wut auf das alte Regime des früheren Diktators Hosni Mubarak vereint. „Das Vaterland ist in Gefahr. Nein zu den Feloul (den Ehemaligen)“, steht auf den Plakaten der Muslimbrüder. Zehntausende waren am späteren Dienstagabend schließlich wieder auf dem Tahrir und an parallelen Kundgebungen in anderen Städten.

„Shafik raus“, „Das Volk will den Sturz des Feldmarschalls“ oder „Eins, zwei, wo ist das Isolationsgesetz?“, wird in Sprechchören gefordert. Der Protest richtet sich gegen den ehemaligen Luftwaffengeneral Mubaraks, der am 16. Juni gegen den Muslimbruder Mohammed Mursi antreten wird. Am Rande des Marsches werden diese Forderungen aber auch hitzig diskutiert: Drei junge Männer streiten sich darüber, ob Demokratie bedeute, dass Wahlentscheide in jedem Fall akzeptiert werden müssen.

Was die Demonstranten aber mindestens ebenso erregt sind die Urteile im Mubarak-Prozess. Der inzwischen 84-jährige frühere Machthaber ist wegen seiner Mitschuld am Tode hunderter Demonstranten während des Volksaufstandes im vergangenen Jahr nun zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Diejenigen, die auf dem Tahrir zusammengekommen sind, sind sich einig, dass damit den Opfern der Revolution keine Gerechtigkeit widerfahren ist. Sie verlangen eine „Revolutionsjustiz“. Mehrere Gruppierungen sind dabei, einen solchen öffentlichen Prozess gegen Mubarak und seine früheren Helfer am Freitag auf dem Tahrir vorzubereiten.

Was die Kandidatur von Shafik, dem Kandidaten der Armee betrifft, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der Sprecher des Verfassungsgerichts hat am Dienstag nun angekündigt, dass die Richter am 14. Juni – also zwei Tage vor der Stichwahl – das politische Isloationsgesetz begutachten und damit entscheiden werden, ob Shafik als Ex-Premier überhaupt im Rennen bleibt oder nicht.

Bei den politischen Ideen zu einem Ausweg aus der verfahrenen Lage gehen die Ansichten auseinander. Linke, liberale und säkulare Revolutionsanhänger verlangen einen Präsidialrat aus Präsidentschaftskandidaten, der sofort die Macht von den Generälen übernehmen und die Ausarbeitung einer Verfassung überwachen soll. Erst danach würde der Präsident gewählt. Die Muslimbrüder und andere islamistische Parteien sind dagegen, weil er ihren Einfluss schmälert.

Sie boykottierten am Dienstag auch eine Sitzung der regierenden Militärführung (Scaf) mit allen wichtigen politischen Gruppen. Dort haben die Generäle den Politikern ein Ultimatum bis Donnerstag gestellt, sich auf die Zusammensetzung des 100-köpfigen Gremiums zu einigen, das die Verfassung ausarbeiten soll. Gelingt das nicht, wird der Militärrat eine Verfassungsdeklaration veröffentlichen, die auch die Befugnisse des Präsidenten umfasst. Feldmarschall Hussein Tantawi habe durchblicken lassen, dass er die Macht nicht abgeben werde, bevor dieses Gremium aufgestellt sei, das das ganze politische Spektrum vertreten müsse, sagte ein Scaf-Sprecher.

Indes hat sich der physische und psychische Zustand des kranken Ex-Präsidenten Mubarak offenbar sehr verschlechtert, seit er nach der Urteilsverkündung am Samstag ins Krankenhaus des Tora-Gefängnisses überstellt worden ist. Die Direktion hat ihm nicht erlaubt, seine eigenen Ärzte zu konsultieren, meldeten Agenturen. Jedoch wird sein Sohn Gamal in eine Zelle nahe des Krankenhauses verlegt, so wie dieser es erbeten hatte.

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