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Bürgermeister-Kandidat Samet Yilmaz: Kieler Grünen-Politiker soll türkische Faschisten unterstützt haben
Yilmaz arbeitete für den Verfassungsschutz. Schleswig-Holsteins SPD fordert von der Landesregierung „zeitnah und umfassend“ Aufklärung. Wer sind die rechtsextremen Grauen Wölfe?
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Der Kieler Oberbürgermeisterkandidat und Ex-Verfassungsschützer Samet Yilmaz steht zunehmend unter Druck. Der Grünen-Politiker soll, so die Vorwürfe, ein Fest türkischer Rechtsextremer unterstützt haben. Die SPD fordert von Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) „zeitnah und umfassend“ Aufklärung zum Fall.
Besonders heikel sei, dass der jährlich in Kiel stattfindende „Türkische Tag“ ausgerechnet im Verfassungsschutzbericht als Beispiel für Aktivitäten der Ülkücü-Szene genannt werde. Türkische Rechtsradikale bezeichnen sich selbst mitunter als Bozkurtlar – deutsch: (graue) Wölfe, öfter aber als Ülkücü – deutsch: Idealisten. Als Grünen-Politiker und Mitarbeiter einer Sicherheitsbehörde hätte Yilmaz wissen müssen, heißt es aus allen Parteien, für wen er sich eingesetzt habe.
Graue Wölfe setzen auf Kulturvereine
Auslöser der Affäre war ein „Spiegel“-Bericht von Mittwoch. Dem zufolge hat Yilmaz die Organisation des „Türkischen Tags“ am 8. Juni in Kiel unterstützt, indem er sich bei der Stadtverwaltung dafür einsetzte, dass das Fest einen Tag später abgebaut werden darf. Laut „Spiegel“ verlor Yilmaz wohl deshalb seinen Posten im Landesverfassungsschutz wegen „Sicherheitsbedenken“; der Grüne wurde demnach innerhalb des Innenministeriums versetzt.
Yilmaz wies die Vorwürfe zurück: „Die Unterstellung, ich würde türkischen Nationalismus oder rechtsextreme Gruppen unterstützen, ist haltlos“, schrieb er laut der Agentur dpa in einem Instagram-Beitrag. Zum konkreten Sachverhalt könne er sich aus rechtlichen Gründen nicht äußern. „Die Geheimschutzansprüche im Verfassungsschutz sind zu Recht wahnsinnig hoch.“ Es gilt die Unschuldsvermutung. Am 16. November wählen die Kieler ihr Stadtoberhaupt.
Türkische Faschisten in deutschen Parteien
In vielen Staaten mit sogenannten turksprachigen Gemeinden sind die Grauen Wölfe in Kulturvereinen organisiert. Dazu gibt es eine lose Jugendszene sowie mafiöse Netzwerke, die mit den Ülkücü sympathisieren. Als parlamentarischer Arm der Bewegung gilt vor allem die faschistische MHP, die in Ankara die regierende AKP von Staatschef Recep Tayyip Erdoğan unterstützt.
Öffentlich setzen Graue Wölfe hierzulande auf Folklore. Führende Funktionäre hatten ihre Anhänger in Westeuropa aufgefordert, sich in dortigen Parteien zu engagieren. Anhänger der Grauen Wölfe traten vor allem der Union, den Grünen und der SPD bei, mitunter wurden sie aus den Parteien wieder ausgeschlossen.
In Hamburg gab es 2015 Streit um die Bürgerschaftsabgeordnete Nebahat Güclü. Die Grüne war bei der „Türkischen Föderation in Deutschland“ aufgetreten, die dem Verfassungsschutz zufolge die deutsche Vertretung der MHP ist. Güclü räumte ein, Fehler gemacht zu haben. Ein Schiedsgericht der Grünen entschied, sie darf in der Partei bleiben.
Gewaltbereitschaft und Waffenaffinität
Der Verfassungsschutz zählt 12.000 organisierte türkische Rechtsextreme in Deutschland, mit mobilisierbaren Anhängern umfasst das Spektrum mindestens 18.000 Männer und Frauen. In der loseren Szene verzeichne man eine „höhere Gewaltbereitschaft“, teilte der Verfassungsschutz vor einigen Jahren mit, zudem eine „Waffenaffinität“. Das schließt die im Rotlichtmilieu aktiven und im Jahr 2018 vom damaligen Innenminister Horst Seehofer (CSU) verbotenen „Osmanen“ ein.
Ein heulender Wolf und drei Halbmonde sind die Symbole der Grauen Wölfe. Gemeinsam sind den meisten Anhängern der türkisch-nationalistischen Bewegung das Bekenntnis zu einem antisemitischen, antikommunistischen, islamischen Großtürkentum, samt eines „Turan“-Reiches, das die turksprachigen Völker vereint. Als Feinde betrachten Bozkurtlar meist Armenier, Griechen, Kurden, Juden, je nach Auslegung auch Christen.
Über die Wirkmacht des sunnitischen Islams in der Bewegung wird debattiert. Wer sich bestimmten Vereinen anschließt, legt einen Eid ab: „Bei Allah, dem Koran, dem Vaterland, der Fahne wird geschworen“, heißt es dann auf Türkisch. „Unser Kampf geht bis zum letzten Mann, bis zum letzten Atemzug, bis zum letzten Tropfen Blut.“
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